Die Wochen ziehen ins Land und damit der Faden nicht verloren geht, ist es Zeit für einen neuen Blog. Mittlerweile sind wir tief in das anatolische Hinterland vorgedrungen und schauten von unserem Auto auf die weltberühmten Tuffstein-Kegel Kappadokiens. Aber der Reihe nach…
Nachdem wir Pamukkale verlassen haben, statten wir der nahegelegenen Kaklik-Höhle einen Besuch ab. Hier reinigen die Kinder gleich mal einen Thermalwasserkanal von Plastikmüll, damit sich die vielen Schildkrötenfamilien da nicht drin verheddern. Die Höhle selbst, eine wasserrauschende Unterwelt voller Becken, Sinterterrassen und Flussläufen, konnten wir ganz allein mit Taschenlampen in Ruhe erforschen. Unser nächstes Ziel waren die türkischen „Malediven“ – der Salda-See. Aufgrund seiner besonderen Morphologie und chemischen Zusammensetzung ist der knapp 200m tiefe See türkisblau und man fühlt sich tatsächlich wie an einem Südseestrand. Wir bleiben 4 Tage, bis der Abwassertank voll ist… Die Kinder bauen eine Sandburg nach der anderen, planschen, machen Matschschlammschlachten während wir die Tage mit lesen, kleinen Reparaturen, schwimmen usw. dahinplätschern lassen.
Von den kühlen, trockenen Hochebenen ging es wieder hinab an die schwüle, heiße Meeresküste. Auf dem Weg, ein kurzer Stopp an den berühmten Ruinen von Arykanda, welche wir wiederum ganz allein erkunden durften. „Quartier“ bezogen wir auf einem alten Hippie-Campingplatz in Andriaka. Hier mündet ein eiskalter Bergfluss direkt ins Meer, kühlt dieses in der Bucht ab und macht es weniger salzig – herrlich zum Schwimmen. Das findet auch eine ganz besondere Art von Schildkröten (Caretta), welche teilweise so groß wie Antonia, tiefenentspannt unter Wasser an einem vorbeigleiten. Dieses Mikroklima weiß aber auch eine andere Tierart, namens Moskito, sehr zu schätzen. Und so fuhr in der Dämmerung tatsächlich ein Pickup mit einem riesen Propeller und einer überdimensionalen Insektizidspritze die Hafenstraße und den Camingplatz auf und ab. Wir saßen gerade beim Abendbrot und ob danach alle Mücken tatsächlich tot waren oder wir einfach nur durch das Insektizid so gut drauf um sie nicht mehr zu bemerken, dass kann ich im Nachhinein auch nicht mehr sagen. Jedenfalls waren wir am nächsten Morgen noch am Leben und machten mit einer russischen Touristengruppe, in die uns der Hafenmeister eingeschmuggelt hat, einen Bootsausflug zu der versunkenen Stadt von Kekova. Im Ausflugspaket mit dabei, ein Badestopp in einer „einsamen“ Bucht. Hier sprang Antonia mit ihren kleinen Schwimmflügelchen ohne mit der Wimper zu zucken, immer wieder von vom gut 2m hohen Vordersteven ins Wasser. Das brachte ihr vom türkisch-russischen Reiseleiter ordentlich Respekt und den ehrenvollen Spitznamen „kleine Brad Pitt Frau“ ein. Generell entwickelt sich Antonia immer mehr zu einer ziemlichen Draufgängerin. Schüchtern ist sie kaum, geht auf fremde Menschen zu, spricht sie an und macht Bekanntschaften am Fließband. Bei alledem hat sie aber zum Glück ein gewisses Bauchgefühl, hält zu so manchem einen großen Abstand und lässt sich auch nicht erweichen. Zudem hat sie, wohl von ihrem großen Bruder abfärbend, angefangen ordentlich zu Berlinern und wir haben Mühe, das ein bisschen einzudämmen. Dazu kommt ihre neue Lieblings-CD von Thomas Putensen, der in den 90er Jahren einige Pionierlieder rockig neu vertont hat und die sie rauf und runter hört. Wenn sie dann im Herzen Anatoliens beim Wandern „Wohin soll denn die Reise gehen“ oder das „Altpapierlied“ schmettert, müssen wir ordentlich schmunzeln, kommt aber als Zugabe noch „Kleine weiße Friedenstaube“ hinterher, dann finde ich das ehrlich gesagt gerade gar nicht so deplatziert.
Entlang der Küste ging es weiter Richtung Antalya, vorbei an riesigen Plantagen aus Gewächshäusern. Nach einem Besuch der traumhaft gelegenen Ruinen von Termessos, fanden wir einen Stellplatz direkt am neuen schönen Promenaden-Stadtstrand von Antalya. Da waren wir aber stolz, so exklusiv zu stehen… bis die Nacht kam. Denn am Abend wurde plötzlich alles leer (Abendessen), doch schon ab 22 Uhr gingen das „Downtowncruising“ und die Parkplatzparties los. Das weilte so bis ca. 4 Uhr morgens. Kurz darauf aber kam auch schon die städtische Müllabfuhr, die Straßenreinigung und um 5 Uhr pünktlich der Muezzin, gefolgt vom Rasenmäher des nahen Hotels usw. Also, so ein Wohnmobil-Urlaub ist auch nicht immer first-class.
Hitze und Schwüle trieben uns dann schnell wieder in die Berge. Diesmal in den Köprulu Canyon. Hier fanden wir einen schönen Campingplatz mit Restaurant direkt am Fluss. Wir blieben ein paar Tage, denn nun hieß es auch für Leo – Schulanfang. Und das musste sich erstmal einspielen. Der Start aber gelang gut und seither macht Leo neben dem täglichen „Live“-Unterricht (Geografie, Geschichte etc), 1 – 2 Stunden seine Aufgaben in den mitgenommenen Schulheften. Zudem steht er einmal wöchentlich per Telefon im Austausch mit seiner Lehrerin. In der Zwischenzeit hat Antonia sich schnell mit der Betreiberfamilie des Campings angefreundet, half beim Fische ausnehmen, flitzte in der Küche rum oder ging mit den Rafting-Instruktoren paddeln. Wir hatten Mühe sie im Auge zu behalten, so dass sie uns mehr als einmal einen ziemlichen Schrecken einjagte…
Nach der Abkühlung im Canyon ein weiterer Vorstoß ans Meer. Diesmal als Ziel das Touristenhighlight Side. Dort beeindruckten die unter riesigen begehbaren Glasflächen illuminierten Ausgrabungen und die romantische Szenerie am Meer und Hafen. Weniger beeindruckend die verzweifelten Händler, die ohne die Touristen um ihre Existenz kämpfen und noch eindringlicher als sonst versuchen, die wenigen verbliebenen (meist Russischen) in ihre Läden zu bugsieren.
Nach einem pit-stop in einem Aquapark ging es hinauf zum Oymapinar-Stausee und gleichnamigen Kletterwald von dem Aussteigerpärchen Beate und Ömer. Hier wurde der Abend über die vielen spannenden Lebensgeschichten lang und der folgende Vormittag im Kletterwald mit Leo zum kleinen Abenteuer. Letzteres ist gerade ohnehin für Leo das passende Stichwort. So verschlingt er meine längst eingestaubte, aber für ihn eingepackte „survival“ Literatur von u.a. Rüdiger Nehberg. Dazu könnte er mit mir am liebsten tagelang darüber diskutieren, ob denn nun ein alter Land-Rover oder ein alter Mercedes‑G das bessere Expeditionsfahrzeug sei und muss jeden noch so schmalen unterirdischen Gang bis zum Ende erkunden (wenn ich vorgehe..).
Szenenwechsel. Nach längerem Kartenstudium entschieden wir uns vom Meer fort, auf eine entlegene Hochebene des Taurus nur 90km vom Meer entfernt zu fahren. Der Weg führte uns entlang einer alten gepflasterten Karavanenstraße hinein in eine karge, schroffe aber wunderschöne Bergwelt. Interessant zu beobachten, wie sich mit jedem Höhenmeter auch unsere Laune in die Höhe schwang und wir immer euphorischer wurden. In einem breiten Talkessel auf knapp 2000m fanden wir ein Nachtlager, atmeten tief durch, lebten auf in der Ruhe und bestaunten wenig später den prachtvollen Sternenhimmel. Antonia schlief sofort ein und Leo kuschelte sich quietsch-glücklich unter seine Decke – endlich mal nicht schwitzen. Was für eine wundersame Kraft die Berge doch haben. In den folgenden Tagen wandern wir und durchstreifen die Hochebene, treffen auf einsame Schäfer die uns amüsiert beim Bratkartoffel zubereiten zuschauen und besuchen eine gigantische Karsthöhle (Tinaztepe), die wohl schon Reinhold Messner und Jacques-Ives Cousteau gemeinsam in den 70ern erforscht haben.
Langsam verlassen wir dann diese unwirtliche, karge Karstlandschaft – über dessen geomorphologischen Formenreichtum ich Leo stundenlang referiere, so dass es ihm wahrscheinlich schon aus der Nase raushängt – und kommen der vulkanisch geprägten Landschaft Kappadokiens näher. In der Nähe von Gökyurt übernachten wir auf einem öffentlichen Picknickplatz mitten in den Bergen und treffen auf die Familien von Mesut und Ahmet. Wie so oft und gerne werden das Abendessen geteilt und mit Händen, Füßen sowie Google-translate die Lebensgeschichten ausgetauscht. Wir folgen ihrer Einladung und besuchen sie wenig später zu Hause in der Stadt Konya. So erhalten wir einen direkten, spannenden Einblick in das Leben einer türkischen Großfamilie und werden überhäuft mit Herzlichkeit und Großzügigkeit. Immer wieder werden wir beschenkt und haben doch nur wenig mehr zu geben als unser Lächeln.
Nach Konya stand Vulkanismus auf dem Programm und so kämpften wir uns mit FRED dank Geländeuntersetzung und Allrad auf den knapp 2300m hohen Stratovulkan Karadag und umrundeten dessen gigantische Kaldera, in der heute friedlich die Schafe grasen. Wir fahren weiter durch eine staubtrockene, faszinierende Vulkanlandschaft, vorbei am 3.300 m hohen Hasan-Dagi, durch verlassene Dörfer und ärmliche Siedlungen. Bei Selime erreichen wir dann das Ihlara-Tal, eines von den vielen höhlendurchsetzten Tuffstein-Canyons der Region. In den folgenden Tagen durchstreifen und erforschen wir diese historisch und geologisch einmaligen Landschaften und können die Taschenlampen teilweise gar nicht schnell genug wieder aufladen, so viele Höhlen, Tunnel, Fels-Kirchen und unterirdische Städte gibt es abseits der ausgetretenen Pfade zu entdecken. Mal etwas länger haben wir in der Nähe von Göreme im Herzen Kappadokiens auf einem Campingplatz Quartier bezogen um durchzuatmen, zu resümieren und vor allem auch zu planen.
Denn das Planen ist momentan wichtig. Unser 90 Tage Touristenvisum läuft in einem knappen Monat aus. Danach kann man für die nächsten 180 Tage die Türkei ohne Aufenthaltserlaubnis erstmal nicht mehr betreten. Die Landesgrenzen zum Iran und seit kurzem auch nach Georgien sind dicht. Bleiben zunächst also nur die Optionen eine Aufenthaltserlaubnis (Minimum 1 Jahr) zu beantragen oder den Rückweg Richtung Bulgarien anzutreten – denn hier ist die Grenze noch offen. Mit diesen Gedankenspielen sind wir aber wenigstens nicht alleine. So sind auf dem sonst für die Saison oft ausgebuchten Campingplatz, neben uns nur noch 2 – 3 weiter Gäste. Dazu zählt ein Holländisches Pärchen, mit Motorrädern seit Jahresanfang ebenfalls unterwegs Richtung Seidenstraße. Sie werden wohl zurück über Bulgarien nach Griechenland reisen, dort über den Winter „wwoofen“ und dann weiter entscheiden. Weitere Gäste waren ein sehr nettes älteres Deutsches Paar, dass schon lange in der Türkei ihre zweite Heimat gefunden hat und hier auch teilweise lebt. Sie haben viele Kontakte und wie es der Zufall so will, haben sie sich gleich bereit erklärt uns bei der Beantragung einer Aufenthaltsgenehmigung zu helfen. Denn das scheint momentan für uns die beste Alternative zu sein – in der Türkei zu überwintern und abzuwarten, bis die östlichen Grenzen (hoffentlich bald!) wieder öffnen.
Und so fahren wir wieder ein Stück zurück an die Küste nach Kas um uns dort mit Zuversicht in bürokratische Anmeldeaktivitäten zu stürzen. Der Weg führt uns vorbei an der berühmten Karawanserei Sultanhani, an einem gigantischen 170m tiefen senkrechten mit Wassser gefüllten Karstschlot und mitten in einen Sandsturm. Noch einmal folgen wir dem geheimen Ruf Mevlanas und rasten in Konya. Hier besuchen wir einen ganzen Tag das geniale „Konya Science Center“, eine Art Wissenschaftstempel für Kinder und Erwachsene, welcher uns alle schwer begeistert. Probleme mit der Dieselzufuhr führen uns in das hiesige Werkstattviertel und ich baue noch schnell einen neuen Filter inklusive Pumpe ein. Auch hier lernen wir wieder wunderbare hilfsbereite Menschen kennen. Nun stehen wir hoch über Konya und schauen sehnsuchtsvoll Richtung Osten, bevor es nun wieder ein Stück zurück nach Westen geht…
Wir werden sehen, was die kommenden Wochen bringen und wo wir am Ende landen. Den Reise-groove haben wir jedenfalls so langsam in uns gefunden und so ist es auch fast egal, welche Himmelsrichtung es am Ende sein wird. Hauptsache wir bleiben „on the road“!
Kommentare (6)
Ihr Lieben,
wir hoffen, es geht euch gut! Wie und wo verbringt ihr Weihnachten?
Wir haben mit großer Freude eure Berichte gelesen und hoffen auf neues Lesefutter! 🙂
Viele liebe Grüße aus Adlershof von Uta, Martin & Co.
Ihr Lieben, es ist herrlich euch auf diese Weise bei all euren wunderbaren Erlebnissen begleiten zu dürfen! Ich tauche jedes Mal wieder mit Begeisterung in eure Geschichten ein. Vielen Dank dafür. Wir drücken euch die Daumen für eine Bewilligung der Aufenthaltserlaubnis und wünschen euch solange die angenehmste Wartezeit, die es nur gibt. Viele liebe Grüße aus Erkner.
Liebe Grüße aus dem herbstlichen Fürstenwalde, Vielen Dank für die wunderschönen Fotos und die Berichte eurer Reise. Ich drücke fest beide Daumen für die nächsten Hindernisse, mögen sie klein und überwindbar sein. Bleibt alle vier bei guter Gesundheit. Lieben Gruß Marion
Liebe Familie Knorn, ich bin ein (alter) Schulkamerad vom Opa Jan und durch dessen (stolzen) Hinweis zu Eurem Blog gekommen. Alle Beiträge und Bilder haben mich total begeistert, insbesondere auch die Berichte von Leo. Ich kann Euch für die Reise nur viel Glück und tolle Erlebnisse wünschen. Es ist fantastisch, was Ihr Euren Kids fürs Leben bieten könnt.
Bin schon auf die nächsten Berichte gespannt.
Alles Gute und bleibt gesund!
Uli
Vielen Dank für den sehr interessanten Bericht und die wunderschönen Fotos! Ich drücke Euch die Daumen, dass es mit der Aufenthaltsgenehmigung klappt und freue mich über weitere Berichte!
Ganz liebe Grüße aus der Heimat von Sylvia
jon & mogdolena knorn Antonio and lion we are very happy to know you, although we have different opinions and religions, love, respect, trust, we seem to have known and meet for years, even the language difference could not prevent this love, you are very warm family in Konya We welcome you again We are very happy to meet you