Zu Füßen von Fred steigt die Flut des Persischen Golfes immer höher. Später kommen die Fischer vorbei und sammeln den Tagesfang aus den Reusen. Noch am Morgen machten die Kinder eine lange Watt-Wanderung und versuchten die kleinen Matschbewohner aus ihren Löchern zu locken. Nun wird aber erstmal Holz gesammelt, für das abendliche Lagerfeuer. Wir stehen am Ostufer der iranischen Insel Queshm, fernab vom Trubel und Gewimmel, machen ein paar Tage „Urlaub“ vom Reisen. Ein kleines Camp hat sich spontan gebildet und so genießen wir die Zeit mit den Reisenden Gordon und Tamara aus Berlin, sowie Christian, Erika und Levin aus Speyer. Die Landschaft wandelt sich täglich im Rhythmus von Ebbe und Flut und es gibt viel für die Kinder zu erforschen. Abends aber wird es bunt. Denn Gordon wollte nicht auf sein Partyzubehör verzichten und so verwandelt sich sein Vorzelt in eine bunte Höhle inklusive Lichterketten, Laserlampen und Nebelmaschine, welche Tosi begeistert und ausdauernd bedient. Es gibt Stockbrot am Lagerfeuer und frisch gegrillten Meeresfisch, serviert mit spannenden Erzählungen über Reiseabenteuer und Zukunftspläne. Einige tausend Kilometer sind wir nun wieder entfernt vom letzten Blogeintrag und gerne fahren wir die Strecke nochmal gemeinsam mit euch ab…
Bevor es Mitte Dezember auf lange Strecken hinauf in die kalten Hochebenen des ostanatolischen Berglandes Richtung iranische Grenze geht, machen wir in Sanliurfa im schönen Gästehaus der Uni schon zum zweiten mal ein paar Tage Pause. Madzik ist etwas angeschlagen und kuriert sich aus, Leo hat einiges an Aufgaben für die Schule abzuliefern und wir beginnen mit einer detaillierteren Reiseplanung für den Iran. Nebenher meldet sich eine weitere Corona Variante zu Wort und wir werden etwas nervös, dass nicht doch wieder vor unserer Nase die Grenze schliessen könnte. Es folgen mehrere Tage an denen wir Strecke machen und vor Tatvan die ersten kräftigen Schneefälle erleben. Für die Kinder und uns ist die täglich mehrstündige Fahrerei sehr anstrengend und immer wieder fliegen die Fetzen zwischen den beiden. In Tatvan haben wir Glück und können die Eisenbahnfähre über den See nehmen. Das spart 150 km durch verschneite Gebirgsstrecken und bringt gute fünf Stunden Pause. Wir sind die einzigen „Reisepassagiere“ und Fred steht beängstigend nah als einziges Fahrzeug hinter den großen Eisenbahnwagons am Rand der Fähre und die Vansee-Wellen platschen hin und wieder bis zu seinen Reifen. Dafür aber werden wir umsorgt, bekommen Essen und Trinken und geniessen die wunderschönen Ausblicke auf den Vansee und die schneebedeckten Berge.
In der Stadt Van angekommen beginnt für uns ein dreitägiger Countdown bis zum Grenzübertritt. Wir finden einen ruhigen Stellplatz direkt am Wasser, wo wir abends durchatmen, den Weitblick auf den See und die dicken Schneewolken geniessen und runterkommen können. Denn die Tage sind stressig. Es gibt noch vieles zu organisieren, Madzik ist noch immer nicht ganz fit und es gibt Gerüchte über eine eventuelle Grenzschliessung. Die Spannung überträgt sich auch auf die Kinder und es gibt immer wieder Streit und die Nerven sind ordentlich strapaziert. Am 4. Advent dann kommt es zu einem mittleren Eklat und die Adventsstimmung ist futsch. Wir nehmen uns Zeit und reden lange mit den Kindern. Mit 24 Stunden Verzögerung, etwas Neuschnee und frischer Vorfreude, kam dann auch die Weihnachtsstimmung zurück. Es werden fleißig Weihnachtsschmuck für Fred und ein Weihnachtsbaum aus Filz gebastelt. Die kleine bunte Lichterkette gibt ihr bestes und auch zwei Weihnachts-CDs bringen heimische Klänge in unsere kleinen vier Wände. Am Abend besuchen wir unsere lieben Freunde Fatih und Esra, die wir vor vielen Monaten hier kennengelernt haben. Ein wunderschönes Wiedersehen, mit köstlichem Essen und lieben Wünschen für die Weiterreise. Dann geht es in die Endphase der Vorbereitungen – Fred bekommt noch einen Ölwechsel, unzählige Dokumente müssen kopiert werden, Tosi muss zum Zahnarzt (ein Stück Zahn war bei ihrem Sturz herausgebrochen), Vorräte für die ersten paar Tage verstaut und die obligatorischen PCR-Tests durchgeführt werden. Die letzte Nacht am Van-See war stürmisch, doch am Morgen schien die Sonne und in der Ferne leuchteten die Berge weiss, bedeckt von neuem Schnee. Es ist der 22.12.2021.
Zügig brachen wir auf und die Straße schlängelte sich stetig Richtung Osten auf 2.300m hinauf. Der Schnee nahm mehr und mehr zu und Schneepflüge waren überall im Einsatz. Zum Glück aber war die Straße gerade noch gut befahrbar und so erreichten wir um 14 Uhr die Grenze. Gleich am Anfang wurden wir getrennt und ich fuhr mit Fred alleine weiter. Die Abfertigung an der türkischen Seite erfolgte schnell und freundlich. Es war relativ wenig los und zügig erreichte ich die iranischen Grenzposten. Sofort werde ich von einer Horde jugendlicher iranischer „Grenzhelfer“ umkreist, die ich aber freundlich ignoriere. Von den Grenzern gibt es ein herzliches „welcome to Iran“ und Fred wird nur grob kontrolliert. Pass und Carnet de Passage werden ohne großes Tam Tam ausgefüllt und auch die Corona-Papiere nur abgefragt und überflogen. Kurz darauf ist Madzik mit den Kindern auch schon wieder da, freundlich begleitet von einem iranischen Apotheker und ehe wir uns versehen, sind wir nach knapp 90 Minuten im Iran. Wir können es kaum fassen und die Anspannung legt sich an diesem Tag nur langsam. Es braucht Zeit zu begreifen, dass dieser große Herzenswunsch, in den Iran zu reisen, nun tatsächlich Wirklichkeit geworden ist. Wir fahren noch 70km bis nach Khoy. Bevor wir alle müde aber glücklich ins Bett fallen, schmökern wir noch zu viert in einem großen Bildband über den Iran und kleben bunte Zettel an die Stellen, wo wir gerne hinmöchten. Am 24.12. abends – zwei Tage später – schloss die iranische Grenze erneut für mehrere Wochen wegen der Unklarheiten im Bezug auf die Omikron…
Nur eine kleine Etappe ging es weiter, zur Provinzhauptstadt und Overlander-Anlaufstelle Täbriz. Jetzt wollten wir erstmal ganz in Ruhe Weihnachten feiern. SIM-Karte, Versicherungen, Geldwechsel usw. verschoben wir auf die Zeit nach den „Feiertagen“. Wir fanden einen ruhigen Ort in der Stadt auf einem verlassenen Camping-Park und die schönste Überraschung kam in der Nacht vom 23. auf den 24.12. Es hatte ausgiebig geschneit (ca. 20cm)! Nun war auch genug Zeit, dass Tosia und Leo ausgiebig im Schnee toben konnten. Und das taten sie mit viel Freude und Genuss jeden Tag mehrere Stunden. Am Weihnachtsmorgen aber gab es erstmal die „Weihnachtsgans Auguste“ vorgelesen. Danach begann der traditionelle polnische Weihnachtsback- und Kochmarathon, meisterhaft von Madzik organisiert und mit den Kindern durchgeführt. Es gab ein Babajaga-Kuchenhaus, Paszteciki und Barszcz, der Weihnachtsbaum aus Filz wurde aufgehangen und zwischendurch tanzte Tosi zu Hildegard Knef fröhlich zwischen unseren Beinen herum. Nachdem wir uns dann zum Abendbrot bei Kerzenschein und Weihnachtsmusik die Bäuche vollgeschlagen hatten, knirschte es doch plötzlich draussen geheimnisvoll im Schnee. Die Kinder flitzten los und tatsächlich hing im verschneiten Park an einem Baum ein Weihnachtssack. Und so gab es fern von zu Hause sogar eine Bescherung – mit vielen kleinen Geschenken, Freude und Dankbarkeit. Zufrieden, müde und glücklich gingen die Kinder zu Bett, froh, dass der Weihnachtsmann sogar bis in den Iran gekommen ist.
Die nächsten zwei Tage tauchen wir ein in den Trubel einer iranischen Großstadt. Es braucht einige Zeit bis wir uns zurechtfinden. Der Basar ist gigantisch, der alte Herr von der Touristeninfo herzlich und hilfsbereit und wir tauschen unsere ersten paar Millionen Rial ein. Mit Leo begebe ich mich auf eine Odyssee durch die Stadt auf der Suche nach einer SIM-Karte. Aber unsere Pässe wollen nicht gelesen werden und so schenkt uns letztendlich ein freundlicher Mann eines Netzanbieters eine kostenlose Mitarbeiterkarte. Wow! Bei dem tatsächlich „weltbekannten“ Opa Ali, Besitzer eines kleinen Nähmaschinenladens und der „Besuche“ von Weltreisenden sammelt um sie in seinen Notizbüchern festzuhalten, trinken wir Tee und verewigen uns ebenfalls. Nachdem dann auch eine Versicherung für Fred abgeschossen ist, zieht es uns weiter, hinein in dieses große unbekannte Land.
Mittlerweile sind die Temperaturen besonders nachts, weit unter den Gefrierpunkt gesunken und so wollen wir möglichst schnell weiter Richtung Südosten, weiter in Richtung Wüste – denn dort wollen wir Silvester feiern. Die nächsten Tage machen wir über 1000km Strecke und haben Zeit, uns an das neue Land zu gewöhnen. Dazu gehört auch der katastrophale Fahrstil. Abgehärtet durch den türkischen Verkehr, glaubten wir so einiges gewöhnt zu sein. Aber hier ist es tatsächlich noch um einiges krasser. Fast täglich kommt man an grausigen Unfällen vorbei. Die Statistik spricht für sich – bei nahezu gleicher Einwohnerzahl gibt es im Iran jährlich ca. 17.000 Verkehrstote (45 pro Tag), in Deutschland 3.200 (8 pro Tag). Schnell gewöhnen kann man sich hingegen an die geringen Dieselpreise. Staatlich subventioniert und quasi direkt vor Ort aus der Erde sprudelnd, kostet hier eine 60 Liter Tankfüllung gerade mal 80 Cent (falls man den Diesel wie so häufig nicht sogar komplett geschenkt bekommt). Die Füllung einer 12kg Gasflasche schlägt ebenfalls mit gerade mal 70 Cent zu Buche. Anderereseits wird auch gerne mal die Ahnungslosigkeit der Touristen in Bezug auf das Geldsystem ausgenutzt. So sind 50.000 Toman (ca. 1,50 Euro), 500.000 Rial, wobei auf dem Schein nur eine 50 steht. Wenn überhaupt mal etwas ausgepreist ist, muss man zunächst raten, welcher Wert denn nun gemeint ist.
Während der Norden Irans noch sehr von Kurden und Armeniern und ihrer Kultur geprägt ist, erreichen wir nach schier endlos scheinenden Ebenen, dem Kreuzen uralter Karawanenwege und dem Erkunden verfallener Karawansereien, die Stadt Kaschan am Rande der Wüste Kavir. Hier fühlt es sich endlich greifbar nahe an – das alte Persien! Wir durchstreifen den Basar der Stadt, besuchen einen traditionellen Hamam der heute ein Museum ist und erkunden mehrere alte Kaufmannspaläste, die mit ihren großen Windtürmen und versteckten Gärten wie aus 1001 Nacht scheinen. Abermals decken wir uns für den Silvesterabend mit dem Nötigsten ein, tanken voll für 1 Euro, Fred wird nochmal ordentlich abgeschmiert und dann geht es Richtung SO hinein in einen großen Dünengürtel der Wüste.
Wir lassen die letzten Feiertagsausflügler hinter uns stoppen an einer Bilderbuchdüne. Die Kinder sind nicht mehr zu bremsen. Sie rennen, rollen, und klettern schreiend und quietschend die Dünenberge hoch und runter, sieben den Sand in ihren Händen. Auch Madzik ist voll und ganz hingerissen. Für die drei ist es die erste echte Wüste und gemeinsam genießen wir diesen Augenblick. Noch ein paar Kilometer weiter finden wir ein einsames Plätzchen am Übergang zwischen dem Dünengürtel und der weiten salzverkrusteten Wüstenebene. Während die drei fast zwei Stunden ununterbrochen in den Dünen toben, koche ich meditativ einen großen Kessel Schmorkohl und lasse die Weite und das Jahr auf mich wirken. Hungrig mampfen wir den Kohl und dann beginnt die „Silvesterparty“ mit Popcorn, Kinofilm, Wunderkerzen und Bengalfeuer in der Wüstennacht. Nach einem lieben und dankbaren Abschied vom Jahr 2021 gehen die Kinder um 22 Uhr glücklich ins Bett. Wir schreiben noch etwas und genießen die tiefe Stille der Wüste. Ein Jahr mit so vielen neuen Eindrücken, Freunden, Düften, Landschaften, Kulturen, aber auch Herausforderungen, schwierigen Momenten und Entscheidungen geht zu Ende. Jeden Tag davon haben wir intensiv gelebt und erlebt, sind als Familie noch fester auf unseren acht Quadratmetern zusammengewachsen, blieben frei und selbstbestimmt. Was mehr kann man sich wünschen? Und mit ihrem Frieden, der Ruhe und Besinnung gibt die Wüste noch ihren Teil zu einem schönen und einzigartigen Abschied von diesem vielfältigen Jahr hinzu!
Nur kurz geht es zurück in die Zivilisation zum Wassertanken und ein weiterer Abstecher in die Kavir Wüste führt uns nach vorsorglichem Luftablassen an den Reifen zu einer verlassenen Festung. Einst wurde sie komplett aus Lehmziegeln gebaut, verwinkelt und verwunschen, mit unterirdischen Wassertunneln und Katakomben, durch die heute der Wüstenwind pfeift und uns Geschichten aus den alten Zeiten zuflüstert. Abends spielen wir Fußball im Wüstensand und werden immer mehr süchtig nach diesen zeitlosen Weiten und unendlichen Horizonten.
Diesel gibt es im Süden des Irans nur schwer, denn der Schmuggel nach Pakistan floriert und das Tankstellennetz ist bei weitem nicht so dicht wie im Norden. So wollen wir uns in Isfahan, einer Großstadt mit einem riesigem Werkstattviertel, einen größeren Tank bauen lassen. Unser derzeitiges Volumen von 70 Litern bringt uns im Schnitt jeweils nur knapp 400km weit. So verbringen wir drei Tage dort, lernen den Armenier Vresh und seine über die Grenzen hinaus bekannte Globetrotter-Autowerkstatt kennen. Leider klappt es mit einem Tank nicht so schnell, zu eng und kompliziert die Konstruktion der vorderen Kabine. So vertrauen wir weiter auf unsere zusätzlichen 2x20 Liter Reservekanister. Dafür gibt es aber andere kleine Highlights. Tosi verliert ihren zweiten Zahn und so läd die Zahnfee in einen spannenden Reptilienpark ein. Auch die Altstadt von Isfahan schauen wir uns an, spazieren viele Kilometer, aber der Funke will zumindest diesmal nicht so recht überspringen. Es ist kalt, laut, überfüllt… An der Werkstatt lernen wir dafür noch Flo aus Deutschland sowie David und Mirjam aus Luxembourg kennen. Gemeinsam reisen wir ein Stückchen weiter – wieder Richtung Osten und Wüste. Richtung Na-in erklimmen wir einen weiteren 2500m Bergpass, tanken 65 Liter für 80 Cent und die 40 Liter Reservekanister für 1 Dollar, essen lecker Safran-Reis mit Hähnchen und Pommes in einer Truckerkneipe und treffen bei Anarak mit der Abendsonne im Rücken pünktlich zu Lagerfeuer und Stockbrot auf Flo, David und Mirijam. Am nächsten Morgen verabschieden wir Flo und mit David und Mirjam geht es hinein in ein Offroadabenteuer zu einer alten verlassenen Kupfermine am Bergrücken eines kleinen Gebirgszuges in der Wüste. Nach vielen staubigen Kilometern erreichen wir schliesslich den Abenteuerspielplatz für groß und klein. Verfallene Schmelzöfen, mehrere tiefe gruselige Schächte ohne sichtbares Ende, viele Gebäude schon fast vom Sand verschlungen erwarten uns. Tosi weicht kaum mehr von Davids Seite. Wieder eine große Liebe und dazu ist David auch noch Feuerwehrmann… Was gibt es Schöneres für sie! Am nächsten Vormittag geht es zurück zur Hauptstraße. Wieder schwierige Passagen durch Sand, tiefe Flussbetten und ein dicker Schlammkegel einer aktiven Bleimine müssen durchquert werden. In Chopanan verabschieden wir uns wenige später herzlich von den beiden. Sie biegen ab nach Norden und wir Richtung Südosten. So entstehen spontan Freundschaften, kreuzen sich die Lebens- und Reisewege und gehen auch wieder auseinander. Aber wie bei so vielen anderen Begegnungen sind wir uns gewiß, dass wir uns früher oder später wiedersehen. Tosi ist dennoch sehr traurig, aber als sie die ersten Sterne und den Mond sieht und dem letzten Sonnenschimmer „Gute Nacht liebe Sonne, komm morgen wieder!“ zuruft, ist die größte Sehnsucht schon fast vorüber.
Über verstreute Oasendörfer und schroffe Bergrücken, unterbrochen von weiten steinigen Ebenen, vorbei an heissen Thermalquellen, geht es zur Oase von Arusan. Hier sprudelt kaltes Wasser direkt am Fuße eines Berges in die Oasengärten und weiter in die staubige Salzebene. Schon Marco Polo hat hier Station gemacht, traute sich aber nicht weiter in die Wüste, wegen der dort angeblich hausenden und Unheil bringenden Dschinns. Weiter südlich in Bayaziyeh existierte einst eine große Lehmstadt samt Palast. Der überwiegende Teil ist jedoch in sich zusammengesunken und man wandelt wie zwischen gigantischen Kleckerburgen. Noch ein paar Jahrzehnte so scheint es, und nur ein großer Lehmberg wird zeugen von der einstigen Stadt. Wir schwenken nach SW auf eine kaputte, teils verwehte alte Straße und sind bald betrunken von den majestetischen Panoramen und Weiten die uns hinter einem kleinen Bergpass erwarten. Wir holpern voran von Horizont zu Horizont, bis wir nach einigen Stunden den gewaltigen Dünengürtel der Rig‑e Zarrin Wüste erreichen. Diesen umrunden wir westlich und hangeln uns entlang von Bahngleisen, bis wir ein verlassenes Wüstencamp zu Füßen der Dünen erreichen. Wieder stürzen wir uns mit den letzten Sonnenstrahlen hinein in das Meer aus Sand, rutschen, rollen und strampeln uns hinauf und hinunter. Diesmal ist der Sand jedoch gröber und somit das Peeling abends im Bett von bester Qualität.
Wasser und Lebensmittelvorräte sind irgendwann aufgebraucht, mehrere Tage kein Internet (auch sehr erholsam…). So müssen wir also zurück in die Zivilisation. Nach einem Zwischenstopp bei der Lehmfestung Kharanaq, welche heute ein Museum ist, geht es hinunter in die Wüstenstadt Yazd. Wir beziehen Quartier auf dem berühmten Overlander-Parkplatz vor dem Silk-Road Hotel. Die nächsten Tage sind eine Mischung aus Sightseeing und Organisation. So verlängern wir auf der Polizeistation unser Visa um weitere 30 Tage, bekommen endlich nach mehreren Anläufen wieder etwas Geld gewechselt und streifen abends bei sommerlichen Temperaturen durch die orientalische Stadt mit ihrem alten Basar, den engen Lehmgassen und versteckten Palästen. Vieles davon ist mittlerweile UNESCO-Weltkulturerbe. Unter der Erde verstecht, ein Labyrinth aus sogenannten Qanaten – Wassertunnel die vor hunderten von Jahren aus den entfernten Gebirgen bis in die Stadt gegraben wurden, teilweise über 80km lang. Auch hier steigen wir hinab, immer tiefer und kühler wird es und besichtigen eine alte Wassermühle und angenehm temperierte unterirdische Versammlungsplätze. Auch Fred bekommt nach den Offroad- und Wüstenkilometern dringend benötigte Zuwendung. Zahlreiche Schrauben vom Aufbau und Rahmen müssen nachgezogen werden und auch eine Abschmierung steht an. Dabei sehe ich, dass an der hinteren Lagerung der Fahrerkabine sämtliche Schrauben den Verbleib in der Wüste vorgezogen haben und der Trägerrahmen angerissen ist. Zum Glück ist alles noch nicht ganz dramatisch. So werden neue längere Schrauben (diesmal mit Sprengring und Unterlegscheibe) besorgt und am nächsten Morgen alles in mehrstündigen Schlangenmenschverrenkungen wieder passgenau fixiert. Währenddessen schweben meine Gedanken unmerklich zu den komplizierten Außeneinsätzen der internationalen Raumstation… warum nur?
Auf dem weiteren Weg nach Kerman machen wir einen Übernachtungsstop an der alten Festung Saryazd und bekommen von einer netten iranischen Familie eine lecker aussehende Suppe geschenkt. Am nächsten Abend in Rasanjan stand sie dann durftend auf dem Abendbrottisch. Die Gesichter der Kinder sahen nicht glücklich aus und auch wir brauchten eine ordentliche Portion Fantasie, um aus den Düften etwas Bekanntes herauszufiltern. Aber es half nichts. Es war eine deftige Innereien-Suppe, verkuttelt und abgestanden um das richtige lokale Duftaroma zu entwickeln. Es tat uns leid, aber die abgemagerten Hunde am Straßenrand freuten sich riesig und für uns gab es die bei Globetrottern bewährte Notlösung aus Chinasuppe und Salat.
Auf der letzten Etappe nach Kerman Richtung SO erleben wir unseren ersten Sandsturm, die Luft wird immer trockener (18% rF) und die Haut rissig. In Kerman selbst finden wir einen angenehmen Stellplatz auf dem Hof des unter Globetrottern legendären Orient-Hotels Akhvan. Seit Jahrzehnten ist es beliebtes Quartier, Zwischenstopp und Treffpunkt für Reisende auf dem Weg Richtung Süd-Ost Asien und zurück. In der charmanten holzvertäfelten Lobby sind die Wände und Säulen plakatiert mit Aufklebern, Postkarten und Grüßen von Weltbummlern aus aller Herren Länder. Und so tauchen wir ein in den nostalgischen Mikrokosmos und werden warm willkommen geheißen von dem fröhlichen Brüder-Paar, welches das Hotel seit über 40 Jahren leitet. Man spürt umso deutlicher die Freude über uns, da sich doch seit zwei Jahren die Zahl internationaler Besucher quasi auf null reduziert hat. Abends essen wir leckerste hausgemachte persische Küche im rustikalen Hotelrestaurant und dürfen uns das Essen in der Küche bei dem alten schmunzelnden Koch selbst zusammenstellen – aus Töpfen die ebenfalls seit Jahrzehnten ununterbrochen zu brutzeln scheinen. In den folgenden drei Tagen können wir wieder einmal einen Berg Wäsche waschen, machen lange Stadtwanderungen, bestaunen den gigantischen Basar mit seinen eingeschlossenen Karawansereien und Hamams und erleben (ohne es zu merken) ein kleines Erdbeben (Stärke 4,7), das uns hautnah zeigt in welchem Risikogebiet wir uns tatsächlich befinden. Und wieder eine kleine Anekdote. Für die Querung der Lut-Wüste suchen wir seit längerem zwei weitere Reservekanister, werden aber nirgends fündig. Ich spreche auf der Straße ein Pickup Fahrer an, der genau solche montiert hat. Er meinte, bitte kurz warten. Verschwindet für ein paar Minuten im Haus und kommt mit zwei Armeekanistern zurück. Geschenkt… Wir sind wieder mal baff, denken wie verrückt so mancher Moment sein kann, kaum erklärbar mit Zufall. Bevor es nun wieder in eine weitere Wüste geht, verabschieden wir uns herzlich von unseren Gastgebern, füllen nach mehreren Anläufen Tank und Kanister randvoll auf und machen noch einen Stopp am Grab von Quasem Soleimani. Anschliessend erklimmen wir einen 2.700m Pass, tanken an einer Quelle sämtliche Wasserkanister auf, kaufen letzte Lebensmittel in der Oase Shahdad und dann liegt sie am späten Abend vor uns – die Wüste Lut.
Es ist bereits dunkel, als wir ein verlassenes Wüstencamp am Rande der berühmten Kaluts erreichen. Am nächsten Morgen fühlen wir uns wie in einer aufgegebene Marssiedlung, so unwirklich die Szenerie. Noch vor dem Frühstück erklimmen wir unseren ersten Kalut – diese von Winderosion in NW-SO Richtung ausgeschliffene Bergrücken, welche aussehen wie schlafende Dinosaurier oder halb gesunkene U‑Boote. Das Gebiet dieser Formationen erstreckt sich auf eine Fläche von ca. 50 x 150km. Das vom Wind abgetragene Material lagerte sich dann als gigantischer Dünengürtel (namens Rig‑e Yallan) südlich anschliessend, von SW-NO mit Dünenebergen bis zu einer Höhe von über 400m, ab. Diese sind somit auch die höchsten Dünen des Irans! Aber nicht nur dieser Superlativ spricht für sich, auch befindet sich in der Lut-Wüste auf einem Feld von schwarzem Lavagestein, der heisseste Punkt der Erde. Gemessen wurden hier vor wenigen Jahren eine Temperatur von über 70°C. Knapp 30km weiter, fahren wir von der Nordseite in die Kaluts hinein und finden einen schönen Stellplatz inmitten dieser bizarren Landschaft. Hier wandern wir mehrere Stunden und alle paar Schritte ändert sich die Perspektive – taucht wieder ein schmaler Canyon auf oder wunderschöne seltsam anmutende Formationen aus Sandstein, Salz und schroffen Felskanten. Wir sind mutterseelenallein, es ist Mitte Januar und wir kommen schon jetzt ordentlich ins Schwitzen. Abends dann noch eine Runde Wüstenfußball, köstliche Spagetti Bolognese und eine Folge „Auf Achse“ und dann geniessen wir den Frieden und weiten Sternenhimmel an diesem weiteren Traumziel.
Noch mehrmals rechnen wir die Dieselreserven durch. Dann entscheiden wir uns für die Durchquerung der Lut Richtung Osten und für einen Versuch die Rig‑e Yallan Dünen zu erreichen. Die Berichte hierzu sind wiedersprüchlich – wird ein Guide gebraucht oder nicht, ist die Straße nach Überflutungen wieder offen oder nicht, gibt es in Chah Dashi wieder Diesel oder nicht. Klar ist, man sollte von der West-Ost Traverse nur mit mindestens zwei Fahrzeugen Vorstöße in die entlegenden Wüstengebiete nach Süden vornehmen. Auf dem weiteren Weg sind die Überflutungen tatsächlich notdürftig repariert. Wir kreuzen einen Salzwasserfluss und mehrere ausgetrocknete Salzseen. Die einzige uns bekannte Möglichkeit die Dünen zu erreichen brechen wir allerdings ab. Die Piste weist keine frischen Spuren auf, weit und breit kein Mensch und im Falle des Falles über 100km in dieser menschenfeindlichen Umgebung zurückzulaufen, ist einfach zu riskant. Wir suchen einen geschützten und versteckten Platz für die Nacht, denn dieses Gebiet ist bekannt und verrufen als Schmugglerroute für Drogen aus Afganistan. Am nächsten Morgen fahren wir gerade drei Kilometer und treffen auf eine Gruppe freilaufender Kamele – die erste Sichtung der Reise. Tosi und Leo sind hin und weg und lange laufen wir ihnen hinterher, um sie zu beobachten. Dann, kurz darauf die Überraschung. Ein ziemlich neu aussehendes Schild weist Richtung Süden auf eine Sandpiste mit der Angabe „Rig‑e Yallan dunes, 35km“. Die Piste ist auf keiner Karte verzeichnet und auch auf Satellitenbildern nicht auszumachen. Wir überlegen nicht lange und holpern die 35km durch Salzwüste, über schwarze Gesteinsfelder, durch ausgetrocknete Flüsse und über Sandverwehungen. Nach über einer Stunde sehen wir endlich die Ausläufer des Dünengürtels. Wir fahren noch ein Stück an ihm entlang und suchen uns am Fuße einer passablen Düne einen Stellplatz für die Nacht. Zum Sonnenuntergang und bei ca. 15°C erklimmen wir mit viel Mühe den 200m hohen Dünenkamm und erblicken dahinter das gigantische knapp 10.000 km² große Dünenfeld. Leo schleppt noch eine Fussball mit hoch und wir schauen gespannt, welchen Weg er sich nach unten sucht. Abends am Lagerfeuer beobachten wir einen mystischen Mondaufgang hinter dem Dünenkamm und es knistert in der Luft.
Die Nacht schlafen wir alle schlecht und unruhig. Es herrscht absolute und vollkommene Stille. Beim Frühstück am nächsten Morgen wissen wir warum – es war tatsächlich die sprichwörtliche Ruhe vor dem Sturm. War es um Fred herum noch windstill, so sahen wir am Horizont bereits eine große sandbraune Wolke aus Westen auf uns zukommen. Es dauerte nur wenige Minuten und wir waren mittendrin – in einem prächtigen Sandstrum. Fred wurde durchgeschüttelt, die Sonne verschwand und es herrschte ein unheimliches Dämmerlicht, so dass Tosia richtig Angst bekam. Und da saßen wir nun fest. Der Sandstaub drang beständig durch die kleinsten Ritzen, besonders vorne in der Fahrerkabine. Dennoch, ein einmaliges und beeindruckendes Naturschauspiel und das aufsteigende Bewusstsein, man wäre ohne den Schutz von Fred so ziemlich ausgeliefert. Eine Orientierung ohne GPS, mit Sand in den Augen und bei einer Sichtweite von nur wenigen Metern unmöglich. Ohnehin wäre aber auch bei einer Weiterfahrt mit Fred nach wenigen Minuten der Luftfilter des Motors zugesetzt. Und so hieß es erstmal abwarten. Wir hofften, dass der Strum nicht länger als zwei Tage andauern, denn solange reichten noch die wenigen Vorräte und das Wasser. Nach ein paar Stunden erschien dann plötzlich wie aus dem Nichts ein Jeep und ein vermummter Mann pellte sich heraus, fragte ob wir Hilfe bräuchten. Wir brüllten ihm zu, alles ok! Nur, wann hört der Sturm auf? Heute Nacht… Gute Aussichten! Nach neun Stunden liess der Wind dann etwas nach, so dass wir zumindest den Weg zurück zur Straße bewältigen, dass übervolle Klo leeren und Wasser aus den Kanistern nachtanken konnten. Mittlerweile waren die Temperaturen auf knapp 0°C gefallen und erklären damit die mächtigen Ausgleichswinde. Noch lange in der Nacht wird Fred kräftig durchgeschüttelt und Sand prasselt auf das Dach wie kräftiger Regen.
Am Morgen pusste ich mit Druckluft dann erstmal den gröbsten Dreck aus der Kabine. Aber noch mehrere Male erfolgt in den kommenden Tagen eine Grundreinigung, denn scheinbar unendlich rieselt der Sand aus allen Ecken nach. Das letzte Drittel der Lut-Wüste bis Nehbandan durchqueren wir zügig, passieren noch mehrere Militär-Checkpoints und erreichen nach knapp 350km eintöniger Fahrt die Provinzstadt Zahedan. Die Nähe zu Pakistan und Afganistan macht sich hier deutich bemerkbar. Es herrscht große Armut, die meisten Hostels und Pensionen sind geschlossen, die verbliebenen Hotels überteuert und das Personal unfreundlich. Nur schwer finden wir in der Nacht einen einigermaßen sicheren Stellplatz an einer Hauptstraße. Am nächsten Tag klappern wir frustriert mehrere Autoversicherungen ab, denn eine Verlängerung steht dringend an. Da treffen wir auf Mohsen. Freundlich, Englisch sprechend und sehr liebenswert wird das scheinbar Unmögliche plötzlich möglich. Danach fahren wir noch zu einer Tankstelle, bei welcher Touristen offiziell kostenlos tanken können – das wäre doch mal eine tolle Idee für daheim! Und so verlassen wir Zahedan mit einem lächelnden Gesicht, machen uns auf den Weg Richtung Golf. Denn von Staub, Wüste und extremer Trockenheit haben wir erstmal genug.
Über einen Zwischenstopp in Bam geht es nun mehrere Fahrtage via Jiroft nach Süden an den Persischen Golf. Die Dieselknappheit macht sich bemerkbar. Viele Tankstellen sind geschlossen. Bei einer ist gerade ein Tankwagen eingetroffen, wir halten sofort und im Nu wird die Truckerschlange immer länger. Da wir als Touristen keine Tankkarte haben, sind wir auf den guten Willen der Trucker angewiesen. Innerhalb kürzester Zeit wurden uns von insgesamt vier Truckern sämtliche Tanks gefüllt. Etwas dafür zu bezahlen geht über ihre Ehre. Dafür verteile ich dann fleißig „Land Brandenburg“ Aufkleber mit dem Adler im Wappen. Die sind der Renner und werden gleich auf die Windschutzscheiben geklebt. In Minab sehen wir zwar noch nicht das Meer, dafür bekommen wir unsere SIM Karte dank unseres Freundes aus Täbriz verlängert und besuchen den bunten Wochenmarkt. Immer mehr aber zieht es uns weg von Trubel, Lautstärke und Hektik. Wir sind reif für die Insel – die Insel Queshm. Am Hafen in der Nähe von Bandar-Abbas lange Autoschlangen – wir sind da einfach mal LKW und fahren ganz nach vorne. Noch eineinhalb Stunden Stress und Papierkram, dann sind wir auf der Fähre und sofort wird es ruhiger…
Die Insel ist ein wahres Naturparadies und beherbergt einen der wenigen UNESCO global Geo-Parks der Region, welcher das Herz eines jeden Geographen höherschlagen lässt. Entsprechend intensiveren sich die relevanten Unterrichtseinheiten für Leo um ein Vielfaches… Wir legen noch einen „Wartungstag“ ein, sortieren Winter-Sommersachen um, Filter müssen gewechselt und Türen nach dem Sandsturm neu eingestellt und gefettet werden. Derweil zieht Leo aus seinem Winterlager im Alkoven wieder nach vorne in das Bett der Fahrerkabine – schließlich sind es mittlerweile über 20°C. Dann aber stürzen wir uns in die vielfältigen Naturwunder der Insel. Zunächst geht es auf eine Bootstour in die Hara-Mangrovenwälder, ein UNESCO-Biosphärenreservat mit seiner ganz eigenen spannenden Flora und Fauna. Immer wieder müssen wir an das Buch „Der Gesang der Flusskrebse“ denken. Danach geht es in das Tandis-Tal (Skulpturental), Sternen-Tal, auf das Dach der Insel (Roof of Queshm) und das Shour-Tal. Hier haben Wind- und Wassererosion über Zeitalter hinweg eine ganz eigene Landschaft aus dem Muschelkalk geschält. Die Oberfläche ist übersäht mit Fossilien – meist Austernmuscheln, Korallen und Seesterne. Wir wandern mehrere Stunden und sind ganz benommen von dieser einsamen märchenhaften Fantasiewelt. In den weiteren Tagen stehen dann noch der Chahkuh und Chakavir Canyon auf dem Programm – auch hier ist die Natur wieder der unvergleichliche Äonenkünstler und ihr Werkzeug die Erosion. Unterbrochen sind diese Exkursionstage von Tagen der Ruhe am Meer und Strand. Schließlich folgt für uns ein weiteres Geographie-highlight, ein gigantischer Salzdom mit einem Durchmesser von 7km und in ihm verborgen, die längsten Salzhöhlen der Welt. Mit einem sehr netten Führer durchsteifen wir die unterirdischen Zeitalter in Form von bunten vielfältigen Schichten. Leo, Antonia und Levin klopfen und legen nach Anleitung aus Gesteinsbrocken ein ca. 1cm dicke Pyritschicht frei und alle halten wir kurz inne für eine Dunkelmeditation in den Tiefen des Salzberges.
Und zum Schluss kommt noch ein nicht ganz unbedeutendes Insel-highlight. Leo hat Geburtstag und wird 12 Jahre alt. Wenn wir zurück denken an seinen letzten Geburtstag in Anatolien, so hat er einen unglaublichen Sprung gemacht. Er ist nicht nur enorm gewachsen, so dass er kaum noch in das Alkoven-Bett passt, sondern er ist deutlich selbstständiger und selbstbewusster geworden. So hat er in seinem jungen Leben mehr als doppelt so viele Länder gesehen, wie er Lebensjahre zählt. Er spricht mittlerweile gut Englisch und macht für uns die einfachen Übersetzungen ins Türkische. Zum Geburtstag gibt es einen leckeren Käsekuchen, einige Gutscheine, eine Bootstour und einen Kinoabend mit „Sisters Act“. Die Bootstour ist eigentlich eine Speedboot-Tour und es geht mit 50 Sachen aufs Meer hinaus zum Delphine kucken. Die sehen wir tatsächlich auch, leider etwas unrühmlich eingekreist von ca. 15 weiteren Booten. Nach einem Zwischenstopp auf der Insel Hengam geht es wieder zurück nach Queshm. Noch am nächsten Tag aber spüren wir unsere Hintern von den wilden Wellensprüngen.
Nach einem Großeinkauf in Queshm-Stadt geht es vollgepackt mit Lebensmitteln und Wasser wieder an einen einsamen Strand zur Westküste. Dort finden wir uns ein, in ein kleines aber feines (inter)nationales Strandcamp mit lieben alten und neuen Bekannten und schreiben endlich mal den Blog zu Ende…
Es scheint der längste Blog-Eintrag aller Zeiten geworden zu sein. Aber der Iran und seine Vielfalt haben uns einfach mitgerissen. Zuviel Neues gibt es hier zu entdecken, als dass man es unter den Tisch fallen lassen könnte. Wie geht es nun weiter? Diese Frage diskutieren wir oft auch mit anderen Reisenden. Der Sprung hinüber auf die arabische Halbinsel scheint in greifbare Nähe gerückt zu sein. Die regionalen Friedensverhandlungen laufen erfolgreich, Omikron scheint keine große Gefahr mehr für Grenzschliessungen zu sein und so werden wir uns wohl in wenigen Wochen, wenn alles klappt, auf den Weg in die Emirate, den Oman und vielleicht sogar nach Saudi-Arabien machen. Die Kinder sind noch voll dabei, freuen sich über die neuen Reisebekanntschaften und die täglichen kleinen und großen Abenteuer und Entdeckungen. So als abschliessendes Beispiel Tosias Erkenntnis, dass ein Herz im Körper ja gar nicht die Form eines Herzens, wie sie es bisher immer gemalt hat, aufweist. Denn auf einem Wochenmarkt entdeckte sie zwischen zahlreichen Innereien, gedünsteten, gebratenen oder getrockneten Ziegenköpfen, Beinen, Zungen usw. – ein Rinderherz. Kommentar: „Das ist ja bloß ein roter Klops und gar nicht so hübsch!“
Zum Abschluss mal wieder ein paar kluge Worte zum Reisen – diesmal von Wilhelm Busch:
„Viel zu spät begreifen viele die versäumten Lebensziele: Freude, Schönheit und Natur, Gesundheit, Reisen und Kultur. Darum, Mensch, sei zeitig weise! Höchste Zeit ist‘s! Reise, reise!“
Kommentare (2)
Hallo ihr Weltenbummler, vielen lieben Dank. Ein weiterer interessanter Reisebericht, den ich gern gelesen habe. Schön, dass wir auf diesem Weg etwas an euren Erlebnissen teilnehmen können.
Ich lache laut auf bei der Vorstellung, wie Tosi tanzt, zu einem Song von Hildegard Kneef.
Ich schmunzle in mich hinein, bei der Vorstellung, wie Trucker von Jan „Land Brandenburg“-Aufkleber erhalten, als Dankeschön für eine Tankfüllung.
Ich finde die Vorstellung rührend, eine Silvesternacht in der Wüste mit Kohlsuppe und Popcorn zu erleben.
Aber echt krass ist es, wo wir z.Zt. um 2,30 Euro/l für Diesel zahlen, zu lesen, dass ihr 60 Liter für 80 Cent tankt….. verrückte Welt…
Habt weiterhin eine gute Reise. Und wenn ihr euern Beruf als Geographen mal an den Nagel hängen wollt, könnt ihr euer Geld auch als Reiseberichterstatter verdienen.
Liebe Grüße, Gudrun
Hallo Jan,
welch schöner Reisebericht, den ich mit Spannung gelesen habe. Danke für die vielen Eindrücke vom Iran, vom Reisen und von der Familie. Ich finde es immer toll, dass Du nicht nur die besonders schönen Momente schilderst, sondern auch die stressigen, ungewissen. So wie die Reise sich halt entwickelt.
Toll, dass Ihr schon so weit gekommen seid.
Maila ist übrigens diesen Monat auch 12 geworden. Ich wusste gar nicht, dass Leo und Maila so nahe beieinander liegen.
Danke für den Blog.
Liebe Grüße
Volker