Seit einiger guten Wochen sitzen wir unterhalb des Berges Nemrut auf einem halb verlassenen Campingplatz. Wir kurieren eine Erkältung aus, die wir uns auf dem Schnee und windumtosten Gipfel zugezogen haben, machen Frühjahrsputz und entspannen. Mit dem Eintreffen von Till und Ates haben wir für die Zeit wunderbare Gesellschaft. Aber auch Globetrotter aus Singapur, Mauritius, Frankreich und Holland stellen sich ein, so dass es nicht einmal den Anflug von Langweile gibt. Aber damit dieser Blog nicht allzu lang und weilig wird, gibt es diesmal nicht so viel Text, dafür mehr Fotos!
Nach den ruhigen Tagen am Meer in Yumurtalik, geht es in die Großstadt Adana. Hier werden wir zu einer Schiffstour eingeladen, besuchen die gigantische Moschee und verlieren uns im nostalgischen Filmmuseum. Im Basarviertel erleben wir wieder einmal Handwerk, wie unverändert seit Jahrhunderten, aber auch extrem krasse Armutsgegensätze welche die Kinder immer wieder lange beschäftigen.
Für die nächsten Tage geht es einmal mehr hoch hinauf in den Taurus und wir tauchen ein in die Geschichte und Täler der alten berühmten Bagdadbahn und dessen Baugeschichte die uns ganz in ihren Bann zieht. Jeden Tag wird gewandert – mal im Yerköpru Kanyon, dann wieder im Kapkaya Kanyon dessen 400 m steile Wände senkrecht in einen nur wenige Dekameter breiten und einen Kilometer langen Durchbruch abfallen. Von Belemedik, einem ehemaligen Bahnbaustädtchen vor grandioser „Alpenkulisse“, wandern wir in eine Schlucht in welcher immer parallel und 100 Meter über uns die Bagdadbahn durch den Berg führt, nur selten unterbrochen durch Quertunnel oder Felsgalerien. Das Erklimmen und Erkunden eines dieser Nottunnel mit Taschenlampen wird für die Kinder zum spannenden Abenteuer.
Weiter Richtung Nordosten, hinter Pozanti und auf dem Weg nach Eregli bleiben wir in 2100m Höhe für zwei sternenklare und eiskalte Nächte auf einem abgelegenen Pass. Von der einen Seite eingerahmt von 3500m hohen Bergflanken gibt es zur anderen Seite einen schon meditativ wirkenden Weitblick. Die Kinder spielen den ganzen Tag draußen, machen Schneeballschlachten und bauen Rutschbahnen. Bei ‑8°C und mollig warmer Heizung fühlen wir uns wie auf einer luxuriösen Berghütte. Eben mal hier hingestellt und ein paar Tag später wieder abgebaut…
Über Karaman geht es weiter nach Konya. Hier treffen wir auf unseren türkisch/deutschen Freund Osman und seine wundervolle Familie. Mit seiner Hilfe bekommt FRED eine dringende Kur: Zusatzluftfederung, neue Einspritzdüsen und Thermostat. Wir wohnen zur großen Freude der Kinder in einem sehr luxuriösen Hotel, welches für uns ein unschlagbares Angebot gemacht hat. Für mich heisst es für eine Woche eintauchen in die Welt eines türkischen Industrieviertels und mitschrauben, denn deutsche Qualitätsansprüche und türkische Werkstattnormen treffen eher selten das gleiche Niveau. Dennoch sind die Preise, die Herzlichkeit und das Ergebnis unschlagbar!
Nach einer Woche schauen wir noch bei unseren Freunden am anderen Stadtende vorbei. Leo und Antonia freuen sich riesig ihren Freund Fahri wiederzusehen. Es wird gegrillt und erzählt bis in die Sperrstunde hinein. Noch einmal besuchen wir das Science Center und dann geht es im dichten Schneetreiben zurück nach Karaman, wo wir einen 86 Jahre alten Zimmermann besuchen, der viele Jahre in Deutschland gearbeitet und uns schon vor einer Weile auf einen Tee eingeladen hat. Seine charismatische Ausstrahlung hat uns bleibend beeindruckt. Welch‘ Lebensfülle und Lebensenergie und was für ein schönes Lachen, wenn die Kinder mit ihm sprachen.
Nigde, eine Stadt am Südrand Kapadokiens, erreichen wir bei Minusgraden. Wir besuchen das lokale Archäologische Museum mit fünf gruseligen Mumien, welche Leo bei einem Online-Klassentreffen gleich mal live zeigen kann. In den engen Gassen entdecken wir später tolle bunte Wandmalereien. Am Nachmittag wälzen sich wieder gigantische Schneewolken durch die Ebene und nur hin und wieder gibt ein blauer Himmel und Sonne den Blick auf das beeindruckende Melendiz Dagi Vulkanmassiv frei. Am nächsten Morgen klettern wir im Gümüsler Höhlenkloster umher und bestaunen eine alte Wandmalerei mit der lächelnden Maria.
Fred muss wieder schnaufen und wir klettern hinauf zum Erciyes Dagi, einem schlafenden knapp 4000m hohen Vulkan und gleichzeitig bekanntestes Skigebiet der Türkei. Wir campieren auf dem höchsten Parkplatz auf 2200m Höhe und sind überwältigt von den unzähligen Pisten, strahlendem Sonnenschein und unglaublichen Weitblick auf umliegende Vulkane und den Taurus. Nachts wird es empfindlich kalt, die Luftdruckanalage und einige Wasserleitungen frieren ein. Aber wir schlafen tief mit glühenden Oberschenkeln nach einem langen Tag auf den Skiern. Obwohl Tosi eine Saison daheim in Telnice verpasst hat, ist sie schnell dabei und fährt nun auch nach ein paar Stunden komplett alleine. Scheinbar hat sie nicht nur den Power und die Geschicklichkeit, sondern auch eine Portion Talent… Aber auch Leo ist nicht zu bremsen und gemeinsam fahren wir mit dem höchsten Lift auf gute 3500m Höhe. Ein tolles Erlebnis!
Magdalenas Geburtstag feiern wir dann mit Panorama und Käsekuchen am Erciyes Dagi und später weit unterhalb in Kayseri mit Wohlfühlprogramm in einem Hamam. Der nächste Tag steht ganz im Zeichen der Geschichte – ein Marathon: Seldschukenmuseum, Atatürk Museum, Ethnographisches Museum, Schulmuseum, historisches Basarviertel, orthodoxe Kirchen, sowie Künstlerviertel in einer alten Medresse (wo die Kinder ein Ölbild mitgestalten). Und zum Abschluss und zur Belohnung für die tapferen Kinder Kinoabend mit „20000 Meilen unter dem Meer“ von 1954.
Ostern feiern wir unter anderem am Sugul und Darende Kanyon mit einer langen Wanderung und Ostereier bemalen. Ostersonntag gibt es polnische Paszteciki, Barszcz und am Abend Charlie Chaplins „Moderne Zeiten“ mit nicht enden wollenden Lachanfällen von Leo. Auf dem Weg nach Malatya kribbeln die Beine auf einer Glasterrasse hoch über dem Levent Kanyon. In Malatya selbst geht es nochmal ins Werkstattviertel. Ein Luftbalg ist durch eine vergessene „Schweissnase“ kaputt und wir brauchen Ersatz. Ebenso lassen mich zwei Schlossereien gewähren und ich baue Verlängerungen für die Stoßdämpfer. Ob das in Deutschland auch so einfach ginge?
Die nahe gelegene Ausgrabungsstätte Aslantepe war Pflichtprogramm – zumindest für unseren „Leo“. Dann ging es scharf nach Süden und wir fuhren zwei Tage durch wilde einsame zerklüftete Berglandschaften und über abenteuerliche Straßen. Dann erreichten wir das Zentrum des alten anatolischen Reiches Kommagene, dessen bedeutendster König Antiochos der I. mit seiner imposanten Grabanlage auf dem Nemrut noch heute tausende Besucher aus aller Welt anzieht. Und so lassen wir die Burg und Tempelanlage Yeni Kale und Eski Kale, eine alte römische Brücke und herrliche Frühlingstemperaturen beeindruckt hinter uns und fahren hinauf in die Wolken und Schneegestöber des Nemruts. Gerade angekommen, treffen wir auf zwei weitere Overlander aus Kandada und England. Fred freut sich, auf einen Verwandten zu treffen. Die eigentliche Grab- und Tempelanlage aber besuchen wir sturmumpfiffen und im tiefsten Nebel. Schnell geht es deshalb am nächsten Morgen 1000 Höhenmeter runter nach Karadut auf besagten Campingplatz. Im Hintergrund klimpert Tosia auf einer Gitarre, Till spielt Akkordeon und in den Töpfen brutzelt das Abendbrot.
Aslantepe Landwirtschaft unter schwierigsten Bedingungen Römische Brücke Cendere Yeni Kale Arsemia Arsemia (Eski Kale) Weitblick Auf dem Nemrut Auf dem Nemrut – Thron der Benze Föderales Frühstück Mittagschlaf im Dorf Frühstücksprogramm Höhrspiel auf dem Hänger So ein Hamambecken kann man auch anders nutzen…
Es ist Ramadan und noch ruhiger als sonst. Es ist Zeit sich zu sammeln und zu überlegen, wie es weitergehen kann. Wir treffen Reisende von unterschiedlichsten Kontinenten und mit vielen spannenden Geschichten im Gepäck. Nach kurzer Zeit aber driftet man fast automatisch hin zur Lage der aktuellen Weltpolitik und den damit verbundenen Reisemöglichkeiten bzw. Restriktionen. Aber auch für uns wird es immer schwerer, die weltweite Krisenentwicklung zu entwirren geschweige denn zu verstehen. Ein Planen der weiteren Reise oder auch nur der nächsten Wochen ist nicht mehr möglich. Epidemiologisch begründete Reisebeschränkungen korrelieren nur allzu offensichtlich mit der jeweils aktuellen bilateralen politischen Wetterlage. Man kann also kaum noch zwischen Willkür oder ehrlicher zwischenmenschlicher Fürsorge unterscheiden. Unabhängig davon lautet der Haupttenor aus der Heimat nahezu einhellig: …bleibt wo ihr seid. Und das machen wir, solange es geht, an der Seite vieler anderer Globetrotter welche das ähnlich sehen…
Auf bald!