Fast drei Monate sind vergangen – viel zu lang. Wir haben uns vorgenommen, dies zu ändern und deutlich regelmäßiger und in kürzeren Abständen den Blog zu füttern.
Dennoch, wir wollten erstmal abwarten, bis sich die wichtigsten Dinge geklärt haben… und das haben sie. Denn wir haben nun endlich unsere türkische Aufenthaltsgenehmigung für ein Jahr bekommen. Aber das hat gedauert… Der Reihen nach.
Nach einem Panorama-Frühstück über Konya ging es etwas zurück Richtung Westen. Vorbei an gewaltigen Schichtstufen, großen schilfbesäumten Seen und hinein in einen gebirgigen Sonnenuntergang auf 1800m Höhe. Es kribbelt in den Füßen nach einer alpinen Wanderung, dafür aber ist Antonia noch etwas zu klein. So bleiben wir tiefer und erwandern den Yaka & Yazilikay Kanyon und später die 800m lange, gespenstige Zindan Höhle, dessen Ende ein gigantischer, senkrecht nach oben führender Karstschlot bildet.
Noch immer brennt die Sonne, als wir wenig später Antalya erreichen. Aus Mönchwinkel bekommen wir mittlerweile wunderschöne Frühherbstfotos zugesendet. Liebe Erinnerungen an die Heimat und für uns der Startschuss für einen Behördenmarathon zur Beantragung unserer Aufenthaltserlaubnis. Das Deutsche Generalkonsulat in Antalya war wenig hilfreich. Dafür aber die Migrationsbehörden der Türkei. Nun wussten wir was wir alles brauchen… ich zähle es lieber nicht auf. Anschließend kümmerten wir uns erstmal um FRED, denn der brauchte vom Zoll eine extra Genehmigung um zu bleiben. Zweit Tage und noch mehr graue Haare später, bekamen wir im zweiten Anlauf mit Unterstützung von Freunden die Verlängerung. FRED muss also nicht auf den Zollhof, nach Bulgarien oder eine 5‑stellige Strafe zahlen.
Nun ging es weiter die Küste hinauf Richtung Kas, wo wir die neu gewonnenen Freunde Isolde und Dieter besuchen und uns für die Beantragung der Aufenthaltsgenehmigung auf die Suche nach einer Wohnung machen wollen. Noch immer ist es extrem heiß, schwül und nur das Meer verspricht Abkühlung. Das schlägt sich auch einstweilen auf die Stimmung nieder. Dann zanken die Kinder, die Alten schimpfen und am Ende sind alle sauer. Zudem bleibt auch die Wohnungssuche, trotz der unermüdlichen Unterstützung von Isolde, in Kas wenig erfolgreich und der Funke für das Städtchen ist auch nicht übergesprungen. Wir können uns immer weniger vorstellen, hier 3 – 4 Monate in einem Apartment zu sitzen. Leider aber braucht man für die Beantragung einen festen Wohnsitz oder jemanden aus der Türkei, der einem seine Meldeadresse zur Verfügung stellt und bürgt. Schwierig. Immer mehr merken wir, dass wir eine Pause brauchen vom Reisen und uns klarwerden müssen, wie wir die Beantragung zu Ende bringen und die nächsten Monate aussehen sollen. Nach einer schwülen, schlaflosen, sandmückengeplagten Nacht kommt uns die Idee, doch einmal „workaway“ (workaway.info) auszuprobieren. Ein spannendes Konzept, bei dem man auf einer Farm, Ökoprojekt, Hostel, Restaurant etc. 4 – 5 Stunden am Tag mithilft und dafür Kost und Logis sowie viele neue Kontakte und Einblicke in die jeweilige Kultur bekommt. Wir schreiben 5 Adressen an und bekommen von 2 eine Einladung. Vielleicht bekommen wir hierüber ja auch eine Meldeadresse.
Nach dieser schönen Aussicht, geht es für uns jedoch erstmal auf eine 4‑tägige Wanderung auf dem bekannten Lykischen Weg. Er ist insgesamt 540 km lang und schlängelt sich immer an der Küste vorbei an vielen historischen Stätten und wilder mediterraner Küstenlandschaft. Wir gehen mit 30 Kilometern nur ein kleines Stück, für die Kinder aber bei der Wärme und den doch erheblichen Höhenunterschieden und kraxeligen Passagen eine ganz tolle Leistung! Wir schlafen zu viert in einem Zweimann-Zelt, kochen abends unser Süppchen und lernen auch hier mit Bahar und Gökcan liebe neue Freunde kennen, die wir in den folgenden Monaten noch öfter sehen werden. Es tat gut, die Füße und den Geist durch diese herbe, wasserlose Landschaft zu führen, vorbei an vielen verlassenen ehemals griechischen Höfen, Feldern und Dörfchen, vorbei an lykischen Ruinen und Gräbern unter einem weiten blauen Himmel und begleitet von einem noch blaueren Meer.
Wir freuen uns wieder bei FRED zu sein, der auf einem kleinen, urigen Campingplatz auf uns wartet. Wir machen uns startklar, um Richtung Osten zu unserem ersten workaway aufzubrechen. Kurz vor der Abfahrt aber brennt der Laptop durch. Irreparabel, wie sich nach 3 Tagen Lauferei, insgesamt 6 Wochen warten und ca. 6 Reparaturläden später herausstellt (eine weitere Ausrede für den verspäteten Blog…). Nun haben wir einen neuen Gebrauchten mit unserer alten guten Festplatte und alles läuft wieder.
Auf dem Weg nach Osten Richtung Anamur fallen uns die vielen Kriegsschiffe in den Buchten auf, wir erleben ein heftiges Unwetter und merken, wie viele der gigantischen Hotelanlagen verweist und nicht mehr in Betrieb sind. Scheinbar reicht ein Saisonausfall und um die Rentabilität dieser Burgen ist es geschehen. Wenig später erreichen wir Zeytinada (Oliveninsel), eine kleines Dörfchen 350m hoch am Berg über dem Meer. Hier verbringen wir 2 Wochen bei unserem ersten workaway. Wir tauchen ein in das Leben einer großen türkischen Familie, sind umgeben von steilen Gärten aus Oliven‑, Granatapfel‑, Mandarinen‑, Apfelsinen…Bäumen und helfen mit in der hauseigenen Pension und dem Gözleme-Restaurant. Lernen, wie man Granatapfelsirup einkocht, helfen bei der Olivenernte, Fällen Bäume und Essen täglich Gerichte direkt aus dem Schlaraffenland. Die Kinder sind den ganzen Tag draußen und helfen mit, wo sie können. Wir leben auf und freuen uns, in einem ganz einfachen Tauschsystem unsere Arbeitskraft und Erfahrung einzubringen – ohne Aufrechnen, Gegenrechnen, Abwägen, Rendite- oder Rentabilitätsgedanken. Auch hier machen wir mit Peter, einen „workawayer“ aus Neuseeland, der mit dem Fahrrad seit knapp 2 Jahren um die Welt fährt, eine neue Freundschaft. Leo und Antonia hängen wie Kletten an ihm, er spielt mit ihnen Fange, geht schwimmen, spielt Autoquartett und Malefiz. Auch ihn werden wir noch öfter wiedersehen.
Anfang November nehmen wir Abschied von Zeytinada und fahren zurück nach Olympos zu einem weiteren workaway. Diesmal ein Zirkusprojekt von einem deutsch-türkischen Artistenpärchen. Thomas kommt aus Kreuzberg und organisiert sonst das „Berlin-lacht“ Festival und so haben wir viel über die Heimat auszutauschen. Bei diesem Projekt helfen wir hauptsächlich mit beim Ausbau von Holzhütten. Nebenher erwandern wir die wilde Küste des Olympos-Nationalparks und die gleichnamige Ruinenstadt. Wir bleiben 2 Wochen und bekommen nun auch endlich bei einer türkischen Freundin eine Meldeadresse samt notarieller Beglaubigung. Damit haben wir nun alles zusammen für unser finales „Vorstellungsgespräch“ bei der Migrationsbehörde. Und tatsächlich, nach zwei weiteren, nervenaufreibenden Behördentagen mit unzähligen Dokumenten und einem netten Gespräch ist unsere Aufenthaltsgehmigung amtlich genehmigt. Die finale Urkunde (Chipkarte namens „Ikamet“) wird nach ca. 4 Wochen postalisch zugestellt. Wir kippen fast um vor Erleichterung…
Es ist Ende November und auch wenn es sich nicht so anfühlt, steht der Advent vor der Tür. Wir sind frei, nicht an eine Wohnung gebunden und müssten nur in der Region bleiben um unser Ikamet abzuholen. Nach einigem Abwägen ergibt es sich, dass wir gemeinsam mit Freunden Weihnachten und Silvester in Zeytinada feiern können. Wir freuen uns sehr! Bis dahin, machen wir uns auf den Weg zurück Richtung Westen nach Bodrum – ein Stück Küste erkunden, dass wir noch nicht kennen. Aber auch hier in der Türkei nehmen die Corona-Einschränkungen immer mehr zu. Zu unserem Glück bleiben Touristen davon jedoch bisher ausgenommen. Auf dem Weg besuchen wir das lykische Xanthos, ein altes aufgegebenes Felsenkloster und ein verlassenes, ehemals griechisches Geisterdorf. Dazwischen leere Buchten und einsame Strände.
Anfang Dezember sind wir in der Nähe von Bodrum in Gümüslük bei einem weiteren workaway. Hier treffen wir auch Ethan wieder, einen Kanadier, mit dem wir uns bereits in Olympos angefreundet haben. Das Projekt nennt sich „glamping“ – quasi eine Luxusvariante von Camping und ist noch mitten im Aufbau. Und auch hier wieder eine nette internationale community, in die wir eine Woche lang eintauchen dürfen. Madzik näht Hängematten und ich versuche die Elektrik auf Vordermann zu bringen. Dazwischen lernen die Kinder auf der Slackline balancieren, jonglieren und backen Bleche voll Plätzchen. Nach einem herzlichen Abschied treffen wir auf der benachbarten Halbinsel Iasos für ein paar Tage Bahar und Gökcan wieder, die hier ein altes Häuschen und Grundstück direkt am Meer von der Großmutter geerbt haben. Sie planen ein kleines Hostel mit angeschlossenem Campingplatz aufzubauen. Eine wunderbare Idee, wie wir finden.
Es ist Mitte Dezember und höchste Zeit, dass wir uns für Weihnachten zurück auf den Weg nach Zeytinada machen. Wir wählen eine längere Route durch das gebirgige Hinterland und freuen uns über ein Wiedersehen mit dem vernebelten Salda-See. In den Bergen läuft nun die Wohnmobilheizung durch und die Gipfel tragen auch hier schon ein weisses Schneekleid. Ganz anders, als es wieder hinabgeht nach Antalya, hinein in ein mildes, warmes T‑Shirt Wetter. Hier treffen wir in der lockdown-leeren Stadt Peter wieder und gemeinsam fahren wir die letzten Kilometer nach Zeytinada.
Es wurde ein schönes Weihnachtsfest. Ivett, die Frau unseres Gastgebers, ist Ungarin und deshalb sehr nah an unseren Traditionen. Gemeinsam feierten wir Heilig Abend in großer Runde, mit einem Weihnachtsbaum aus Filz, einer bunten Lichterkette, Rotebeete Suppe, Fisch, Kartoffelsalat und kleinen aber feinen Geschenken. Der Bollerofen heizte munter, die vielen Kinder tobten glücklich und ausgelassen und auch wir „Großen“ freuten uns bei Wein, Süßigkeiten, Weihnachtsmusik über diese improvisierte, bunte internationale Festlichkeit. Wir bleiben noch etwas hier und werden auch das neue Jahr in Zeytinada begrüßen. In der Zwischenzeit helfen wir weiter auf dem Hof und im Wald, genießen die frischen Gözleme und wandern hinab ans Meer…
Am Ende möchten wir noch ein bisschen zu den Kindern schreiben. Leo hat sich langsam zu einem Tüftler entwickelt. Er baut selbst entworfene Wasserfilter aus Bambus und Kies, ein Minifernrohr aus Patronen, Spirituskocher aus alten Bierdosen, eine Mini-Armbrust aus Wäscheklammern… Fast täglich wird gesägt, geschweißt, geklebt, gemalert und gelötet. Da das Internet teuer und begrenzt ist, liest er sehr viel. Zuletzt in nur wenigen Tagen „Eine Büroklammer in Alaska“ und den „Grafen von Monte Christo“. Da brennt bis spät in die Nacht noch das Licht im Alkoven… Mittlerweile spricht er ein lustiges Kauderwelsch-Englisch mit irischem, kanadischem und neuseeländischen Einschlag.
Antonia, von morgens bis abends ein einziges Energiebündel, hilft überall mit. Schon früh beim Ziege melken, Teig machen und rollen, Holz sammeln, Gemüse schneiden usw. Im Handumdrehen scheint sie die Herzen mit ihrer fröhlichen, selbstbewussten Art zu erobern. Sie kuschelt sehr gerne, ist besorgt um alles und jeden und ist glücklich über die Zeit und Zuneigung, die man ihr schenkt. Beide zusammen aber können sich furchtbar schön streiten und uns den letzten Nerv rauben. Das ist herausfordernd auf den wenigen Quadratmetern. Beim besten Willen ist es deshalb nicht nur die heile, schöne Reisewelt…
Jedenfalls sind die Kinder fast den ganzen Tag draußen aktiv. Im Wald, am Meer, auf den Bergwiesen, bei der Ernte, beim Bäume fällen oder wandern. Ihrem Immunsystem ist das gewiss nicht abträglich. So sind sie mopsfidel, lachen viel und oft bis zum Umfallen und hatten bisher nicht einmal einen Schnupfen. Sie lernen viele andere Kinder kennen, knüpfen schnell Kontakt und „unterhalten“ sich mit Händen und Füßen in einer Mischung aus Deutschpolnischenglischtürkisch.
Fazit: Wir sind jeden Abend dankbar über die große Freiheit, die wir gewonnen haben und die in der jetzigen Zeit noch um so vieles wertvoller geworden ist. Und so trifft man automatisch Menschen unterschiedlichster Hintergründe und Nationalitäten, die sich nicht nur von der Angst leiten lassen, sondern mit einer guten Portion Gottvertrauen jeden neuen Tag begrüßen und leben. Ich denke, dass ist dann auch das größte Geschenk an dieser Reise bisher, unseren Kindern ein Stück Normalität, Zuversicht und Lebensfreude geben zu können. Denn nicht wir, sondern sie tragen die Zukunft in sich, in der wir „Alten“ dann einmal Leben werden.
Wie und wohin geht es nun weiter? Auch hier in Zeytinada geht alltäglich der Blick sehnsüchtig weit hinaus auf das Meer, dem Sonnenuntergang entgegen. Und am Meer werden wir auch grob erstmal bleiben. Ein paar Besuche stehen noch in Olympos, Antalya und Konya an. Dann aber geht es endlich weiter Richtung Osten, dem alten Persien wieder ein Stückchen näher. Nächstes Ziel ist die Provinz Hatay, welche im Westen vom Mittelmeer und im Osten von Syrien begrenzt wird. Mit langsam höherstehender Sonne, reisen wir dann weiter in die Osttürkei, hinauf in das Anatolische Hinterland. Und dann? Viel weiter wollen wir erst einmal nicht planen. Denn jeder Tag in sich, bleibt ein Geschenk – as long as we keep on rolling… 2021!
Beysehir See Zindan Höhle Yazilikay Canyon Strandpartisanen in Antalya Gewächshauswüste um Demre Da hatte wohl einer Geburtstag… Hoch auf dem lykischen Weg Lykische Wanderwegzwerge Auf dem lykischen Weg bei Kekova Andriake night Fred und das Meer Aussicht von Zeytinada Antonia und Perihan beim Gözleme machen Gözleme-master Magdalena Mittagschlaf bei der Olivenernte Granatapfelpulen in Zeytinada Quittenmarmelade in Produktion (Zeytinada) Blick von Zeytinada Bucht von Antiochia Die magische Bucht Kral Koyu Antiochia und Magdalena Die Nekropole von Antiochia Antonia mag Tills Schwalbe! Holzarbeiter in Olympos Olympos workaway – mit Thomas auf dem Dach Wanderung in Olympos Reifen putzen nach Schlammfahrt Heckfensteraussicht am Morgen bei Finike Gelidonya versus Fred Leuchtturm am Cape Gelidonya Cape Gelidonya Morgenstimmung bei Xanthos Frühsport im lykischen Xanthos Die Schmetterlingsbucht in 400m Tiefe Bucht von Darbogaz Geologie zum Anfassen in der Darbogaz Bucht Altes griechisches Kloster Af Kule Abendstimmung in Göcek (oder Masuren?) Workawayteam in Gümüslük Der Barbier von Gümüslük… Plätzchen backen Plätzchenmeister Leo Slackline-training mit Yusuf in Gümüslük Na, wer hat da Geburtstag? Mandarinen ohne Ende in Gümüslük Gümüslük Irland oder doch eher Gümüslük? Abendstimmung in Gümüslük Mein Fisch! Regenstrandwanderung bei Iasos Geologische Kunst Frühstück mit Bahar, Gökcan und Baris Was will uns Antonia mit der Inschrift sagen? Salda – diesmal im Nebel Bigos zum 1. Weihnachtsfeiertag Wiedersehen mit Peter in Antalya Sportprogramm mit Peter in Gazipasa Plätzchenbacken in Zeytinada Internationaler Weihnachtsfeiertag Weihnachten mit Kartoffelsalat und polnischen Paszteciki Antonia und ihre Ziege Turkish tea time mit Baris – holzbefeuert Strandwanderung bei Zeytinada
Kommentare (1)
Ihr Lieben,
wieder einmal habt ihr eure Abenteur schön für die Daheimgebliebenen zusammengefasst. Die Gegend ( z.B. Antiochia ) hat schon den Römern gefallen und ist seitdem nicht aus der Mode gekommen. Die neu erlernten Handwerks und Küchentechniken werden nicht nur die Kinder ein Leben lang begleiten. Leo wird mal Ingenieur und Antonia hat einen eindeutigen Hang zum Umgang mit Ziegen und anderen Tieren. Ich sehe schon fast euren künftigen Ziegenhof vor mir. Ich wünsche euch einen himmlischen Jahreswechsel unterm Sternenzelt ohne künstliche Feuerwerkskreationen. Wohlschmeckende türkische Spezialitäten und auch weiterhin Glück auf euren Wegen. Einen freundlichen Schlag auf den Kotflügel von Fred nicht zu vergessen.
herzliche Grüße aus Altglienicke
Werner und Heike ( derzeit in der Kirche singend )