Heute gibt es viel zu feiern. Nicht nur weil Kindertag ist, sondern auch weil just die Grenze zu Georgien wieder geöffnet hat. Es wird erwartet, dass es die Nachbarländer Zug um Zug gleichtun und selbst der Iran, nach den Wahlen im Juni seine Pforten wieder öffnet. So sitzen wir unterhalb des Ishak Pasa Palastes, der Ararat wartet majestätisch hinter einem Hügel und wir blicken voll Vorfreude in die weite Vulkanebene von Dogubeyazit. Aber zunächst ein Rückblick auf die vergangenen Wochen.
Nach der Campingpause am Nemrut Dagi ging es weit hinab Richtung Syrische Grenze und in eine heiße staubige Ebene. Unterwegs reparierte und passte ich unsere hintere Stoßdämpferaufnahme an, wodurch Fred nun nicht mehr allzu stark schaukelt wie ein betrunkener Elefant. Wir bestaunten den Atatürk Staudamm und fuhren hinunter an den Euphrat – ein weiterer Meilenstein auf unserer Reise. Mit einem Boot ging es zum versunkenen Städtchen Halfeti, der Burg Rumkale und wenig später zu den Ausgrabungen von Zeugma.
In Sanliurfa stiessen wir auf dem Museumsparkplatz zu einem weiteren kleinen „Globetrotter-Camp“ und trafen auch Till und Ates wieder, mit denen wir dann die nächsten Wochen gemeinsam reisten. Für die nächsten drei Nächte mieteten wir uns, nach etwas Überzeugungsarbeit und Nachweis das wir Humboldt-Uni Alumnis sind, in das Gästehaus der lokalen Uni ein – einem alten verwinkelten osmanischen Palast direkt in der orientalischen Altstadt. Wir bekommen ein fürstliches Frühstück, schlürfen bei Sonnenuntergang Weißwein auf der Dachterrasse und fühlen uns wie die kleinen Paschas. Am Abend besucht zur Freude der Kinder auch noch „Fantomas“ auf dem überdimensionalen Flatscreen den Palast. Von hier aus erkundeten wir die Geburtsgrotte Abrahams, das archäologische- und benachbarte Mosaikmuseum, sowie den verschlungenen Basar mit seinen Gewürzbergen, Tischlern, Schmieden und Töpfemachern. Die Nächte jedoch sind kurz, denn es ist Ramadan. Damit verlagert sich das Leben in die lauen Nächte, der Muezzin singt noch inbrünstiger, Trommelgruppen ziehen durch die Gassen und es herrscht kurz gesagt Ausnahmezustand im Ausnahmezustand.
Vom benachbarten Göbeklitepe, der 12.000 Jahre alten „Wiege der menschlichen Zivilisation“, in dessen Schatten „Stone henge“ wie eine verlassenes Einkaufszentrum wirkt, geht es Richtung Süden weiter nach Harran. Von der einstig biblischen Stätte ist kaum noch etwas übrig. Heute findet man in der flirrenden staubigen Hitze nur verstreute Touristenjäger, bettelnde Kinder und viel Armut. Richtung Osten fahren wir durch die kargen, trockenen Tek Tek Hügel entlang der Syrischen Grenze zu einem unterirdisch antiken Steinbruch, den Bazda Höhlen. Hier sollen wilde, gefährliche Hunde hausen, zum Glück haben wir keine gesehen. Die Gegend ist leider von extremer Armut geprägt. Egal wo wir im Konvoi auftauchen – in der Antikstadt Suayb, den Menschenopferhöhlen Sumatar – werden wir von Kinderhorden umringt. Sie sind sehr aufdringlich, zerren am Auto und haben keine Scheu. Oft kehren wir ohne auszusteigen um. Es ist ein Dilemma, waren doch die Schulen oft der einzige Anker- und auch Verpflegungspunkt für die Kleinen. Nun sind sie seit über einem Jahr geschlossen, homeschooling hier in den Dörfern die oftmals gar kein Strom haben ein schlechter Witz und die Eltern arbeiten als Erntehelfer für das tägliche Brot um durchzukommen. Als Folge verwahrlosen die Kinder sich selbst überlassen immer mehr…
Endstation des Tages aber ist Karahan Tepe, dass wir erst nach einigem Suchen fanden. Wir campieren an dessen Fuße in einer Steppenlandschaft die uns gedanklich in die Mongolei versetzt. Karahan, eine Ausgrabungsstätte, die gerade erst vor wenigen Monaten das Licht der Welt erblickt hat und quasi der große Bruder von Göbekli Tepe ist. Wir haben Glück und der lokale Schäfer, der gleichzeitig Ausgrabungshelfer und Landbesitzer ist, gibt uns in gutem Englisch nach Rücksprache mit dem Ausgrabungsleiter eine „inoffizielle“ Führung. Was wir zu sehen bekommen ist atemberaubend. Auch wenn es nur vorläufige stichprobenartige Sondierungen sind, so traten jedoch hier bereits kunstvolle Reliefs, Skulpturen und Kultplätze zu Tage. Zählte man in Göbekli Tepe ein paar Hände voll von den berühmten T‑Säulen, so sind es nach grober Schätzung in Karahan über 250. Es muss also ein gigantischer Wohn- und Kultort gewesen sein, nochmals 3000 Jahr älter als Göbekli Tepe und damit eine Geschichts- und Wissenschaftssensation. Wir dürfen nicht fotografieren, denn die systematischen internationalen Grabungsarbeiten sollten wenige Tage später erst beginnen (bei 50°C im Schatten) und damit auch die damit einhergehenden offiziellen Publikationen. Wir streifen in der Gegend herum und finden Hände voll alter Pfeil- und Speerspitzen aus Stein, was die Kinder unheimlich begeistert. Ein neuer Ort der Menschwerdung, so nannte es unser Begleiter, und wir durften dankbarerweise quasi noch vor der Premiere einmal kurz hinter den Vorhang schauen!
Nächster Stop auf dem Weg gen Osten ist Mardin. Ein verwinkeltes orientalisches Städtchen an einem Südhang mit einem schwindlig machenden Blick weit hinein in die Mesopotamische Ebene. Hier treffen wir einen über Freunde befreundeten Dokumentarfilmer Haydar, der viel über syrische Flüchtlingskinder berichtet und uns sehr herzlich aufnimmt. In Erinnerung bleiben die vielen kreativen Künstler der Stadt, die sich in den alten halb verlassenen Konaks niedergelassen haben, ebenso wie die unzähligen selbstgebauten Drachen, die unermüdlich in den lauen Abendwinden über der Stadt schwebten – gehalten und gesteuert vom Kind bis hin zum Großvater. Nur wenige Kilometer entfernt besuchen wir das syrisch-orthodoxe Kloster Zafaran. Ein spiritueller Ort mit so viel Geschichte, aber auch Traurigkeit, Schicksal und Vertreibung. Noch immer aber gibt es Gottesdienste und noch immer spürt man, dass dieser Ort dem Himmel ein Stück näher ist als der Erde.
Über Midyat, wo wir zwei wunderschöne restaurierte Konaks und eine alte Kirche besuchen, geht es hinein in das Kernland der syrisch-orthodoxen Christen. Im 1600 Jahre alten Kloster Mor-Gabriel erfahren wir viel über deren spannende und bewegte Geschichte, aber auch über Vertreibung, Tod und Zerstörung. Ihr Glauben jedoch so rein und bescheiden, voll von Mysterien und Fabeln, der heilige Gabriel, stehend begraben um seinem Herrn aufrecht entgegen zu treten und um ihn herum in der Gruft die Gebeine von über 10.000 Mönchen.
An dieser Stelle verabschieden wir uns nicht nur von Till und Ates, sondern auch von einer Idee, welche wir seit einigen Wochen in uns tragen und immer wieder diskutierten – ein Abstecher nach Kurdistan – Irak. Von vielen Reisenden die wir getroffen haben wärmstens empfohlen, doch am Ende scheint uns das Risiko – der Kinder wegen – zu hoch. Würden wir allein reisen, sähe es ganz anders aus. Sollte ihnen denn wegen eines 2‑wöchigen Abenteuers etwas passieren, wäre das unverzeihlich. Das Zünglein an der Waage waren mehrere Bombenexplosionen und Einsätze von Kampfjets die wir in den letzten Tagen leider „life“ in Richtung Grenze beobachten konnten. Vielleicht aber wird es zu einem anderen Zeitpunkt klappen – İnşallah .
Unsere Route schwenkt nun nach Norden und wir fahren in das alte, halb versunkene Hasankeyf am Tigris. Hier wandern wir durch die Katakomben und Reste der alten Stadt- und Burganlage und bewundern nun auch den zweiten biblischen Fluss. Auf dem weiteren Weg Richtung Van-See machen wir Stop in Batman, wollen bei der Hitze ein Eis kaufen und landen direkt in der Fabrik eines großen türkischen Eisfabrikanten. Kurzum werden wir von der Besitzerfamilie zum Abendessen und am nächsten Tag zur Fabrikführung eingeladen. Die Kinder essen in 24h ca. 15 Eis, wir bestaunen Eismaschinen die 20.000 Eis pro Stunde produzieren und sind zu der Hochzeit des Juniorchefs eingeladen. Mehr jedoch nicht an dieser Stelle, denn das wird gewiss ein Hauptthema in Leo’s nächstem Blog sein…
In Tatvan am Van-See treffen wir auf Dean und seine 9‑jährige Tochter Zoya aus Mauritius, die mal zu zweit, mal zu dritt in einem Landrover um die Welt reisen und die wir schon einmal ein paar Wochen vorher getroffen haben. Dean hat viele Jahre als Fotograf gearbeitet und ist voller spannender Geschichten vom Nord- bis zum Südpol. Gemeinsam geht es für ein paar Tage hinauf zum 3050m hohen Nemrut Dagi, einem ruhenden Vulkan. Oben erwartet uns eine grandiose Aussicht auf den endlosen hellblauen Van-See, schneebedeckte Berge und der tief abfallende Rand der Kaldera. Diese misst 7km im Durchmesser und auf der einen Hälfte mit einem der größten Kraterseen der Erde bedeckt. Fährt man in den Krater hinein, so wirkt es als lande man in einer anderen Welt. Dean wähnt sich schon in Patagonien… Wir wandern zu kleineren und größeren Nebenkratern, begutachten begeistert zahllose Obsidianvorkommen und finden Quartier etwas oberhalb des Kratersees. In den nächsten Tagen lassen wir die Seele baumeln, springen in den eiskalten tiefblauen Kratersee, der Dutch-oven ist über dem Lagerfeuer im Dauereinsatz, Leo und Zoya machen gemeinsam homeschooling und es wird über das Leben, das Reisen, den Sternenhimmel und alles Mögliche philosophiert. So geniessen wir die Ruhe und den fehlenden handy-Empfang und Magdalena und ich machen mit Deans Cross-Motorrad Ausflüge in die wilde Kraterlandschaft. Am letzten Tag gesellt sich noch ein Radfahrerpäarchen aus Belgien dazu und noch mehr Reisegeschichten versüßen die Zeit am nächtlichen Lagerfeuer.
Mit dem Abstieg vom Vulkan endet nicht nur der Ramadan, sondern auch ein 3‑wöchiger landesweiter lockdown. Die Straßen quirlen über und die Restaurants sind schlagartig voll. Wir umrunden den Van-See am Südufer, besuchen mit dem Boot die kleine Klosterinsel Akdamar, die Van Burg und das Van-Museum. Beim campen lernen wir zwei junge türkische Pärchen kennen, die alle Englischlehrer sind. Wir folgen gerne einer Einladung zum Abendessen und lernen viel über das „Lehrerleben“ in der Türkei. Besonders aber freuen wir uns über die jeweilige Einladung in ihre Schulen ausserhalb von Van. Gemeinsam mit Dean und Zoya machen wir uns in den nächsten 2 Tagen auf den Weg und besuchen 2 verschiedene Schulen und Englischklassen. Leo wird sicher mehr davon berichten. Nachdem wir noch zusammen die zwei Burgen Cavustepe und Hosap besuchten, verabschieden wir uns von Dean, der nun direkt nach Norden weiterfährt. Leo, Antonia und Zoya haben sich fest angefreundet und wunderbar verstanden. Dank der gemeinsamen Zeit, spricht nun auch Tosi schon ihre ersten Brocken Englisch. Mal schauen, wo wir uns alsbald wiedersehen werden.
Stockbrot am Van See Einmal im Van See baden – ein Traum geht in Erfüllung. Klosterinsel Akdamar Blick auf den Vulkan Süphan Dagi (Trainingsberg für den Ararat) Na, wer ist schneller? Kapitän ahoi! Zu Gast bei den Englischlehrern. Blick von der Burg auf Van. Das berühmte Van-Frühstück. Ja, so sieht eines der ältesten Wasserklos (2750 Jahre) der Welt aus (Burg Cavustepe). Burg Hosap Abschiedsdinner mit Dean und Zoya.
Zunächst aber geht es für uns tief hinein nach Südosten in das kurdische Kernland. Mit jedem Meter nimmt die Militärpräsenz zu. Tiefe Schluchten und weite Hochebenen, einsame Berglandschaften und schroffe 4000er ziehen an uns vorbei. In der Provinzstadt Hakkari suchen wir vergeblich einen Stellplatz, denn alles ist hochgesichert und niemand möchte Verantwortung übernehmen. Plötzlich aber sehen wir auf einem Schulhof die türkischen Camper Ufuk und Yakut, welche wir kurz schon in Sanliurfa kennengelernt haben. Bei ihnen sitzt der bekannte lokale Bergführer Haci, der auch in unserem Reiseführer benannt wird. Kurzum dürfen wir nicht nur dort campen, sondern werden auch auf mehrere für die nächsten Tage geplante Bergtouren eingeladen. All das ist wie ein 6er im Lotto, denn für alles werden mehrere behördliche Genehmigungen benötigt, denn die Hakkari-Berge sind noch immer militärische Sicherheitszone.
Am nächsten Tag fahren wir sodann mit zu siebent mit Fred in das Hinterland. Wir wandern zunächst tief hinein in eine Schlucht zu einem Wasserfall, der direkt mitten aus einer steilen Felswand aus dem Berg herausschießt und fahren dann immer weiter und tiefer in die Berge bis zu einem Dorf namens Ceylanli. Es ist ruhig hier, die Sonne wärmt und um uns plättscher kaltes frisches Quellwasser durch die uralten Steingärten. Zu Gast bei alten charismatischen Kurden, in einem Gebiet wo jeder Reiseführer von abrät. Aber Haci ist dabei und die Genehmigungen… Wir hören viel, wollen aber nur wenig berichten – über unsagbares Leid, Vertreibung. Aber auch Gastfreundschaft und trotz allem ungebrochener Lebensmut. Vielleicht liegt es auch an der überwältigenden wilden Schönheit dieser entlegenen Bergwelt, die einem die eigene Unwichtigkeit und Vergänglichkeit gnadenlos spüren lässt, welche diese Menschen hier formt und ihr Schicksal tragen lässt. Müde und dankbar kehren wir auf „unseren“ Schulhof zurück. Nachts kreisen nicht nur die Militärhelikopter, sondern auch unsere Gedanken – um Kurden, Türken, PKK, türkische Armee und eine Bergwelt wie aus einem Märchen.
Mit Haci, Ufuk, Yakut und einer handvoll Reportern geht es am nächsten Tag abermals hoch hinauf. Der alte Ford Transit hoppelt durch Flüsse über Steine und abgespülte Wege. Wir gelangen auf ein Hochplateau, umrundet von 3000ern, entlegen wie aus einem Märchenland. Überall sprudeln frischen Quellen aus dem saftigen Rasen, es gibt Wäldchen, Bäche und unzählige Ruinen von Bauernhäuschen. Wir sind in Konak, dem alten Zentrum der Nestorianer, einer kleinen christlichen Gemeinschaft, die 1914 von hier vertrieben wurde. Seit 1980 ist das Dorf endgültig verlassen, dennoch erzählen die alten Hausmauern und die große alte Kirchenruine aus dem 16 Jhd. ihre Geschichten. Zum Beispiel jene von den 20 Bäumen und 10 Gallonen Wein bei Geburt eines Kindes – aber mehr dazu in Leos nächstem Blog. Weiter fahren und wandern wir hinauf in das Bercelan Yayla Hochtal durch eine nahezu unberührte, unzugängliche und wilde Bergwelt, wohl ziemlich ähnlich den Alpen vor 200 Jahren. Die Reporter umschwärmen uns und zahlreiche Interviews stehen an, so selten sind ausländischen Gäste und man möchte vieles wissen.
Wir verabschieden uns herzlich und wollen nun noch in den entlegensten südöstlichsten Zipfel der Türkei. Unterwegs werden wir immer wieder kontrolliert, Fred auch mit einem Spürhund durchsucht. Dennoch läuft alles mit ehrlicher Freundlichkeit ab und so wie wir immer mehr merken, geschieht es hauptsächlich aus Schutz und Sorge. Mittlerweile sind die Grenzen zum Iran und Irak nur noch wenige Kilometer entfernt. Die Bergwelt wird immer uriger und unzugänglicher. Unzugänglich auch wegen der enormen Militärpräsenz. Sämtliche Seitentäler sind gesperrt und nur mit Sondergenehmigung zugänglich. Bis vor wenigen Jahren war die Region ein hotspot des Türkisch-Kurdischen Krieges. In Semdinli, wo wir Quartier auf dem Parkplatz des lokalen Lehrerwohnheimes beziehen, waren bis vor wenigen Jahren Anschläge keine Seltenheit. Die aktuelle Ruhe ist noch zu frisch und es scheint, als müsse man sich erst an sie gewöhnen. Hier gibt es für alles zu wenig Personal. Wir lernen einen Arzt kennen der uns erzählt, dass sie jeweils für 2 Monate im Rotationsprinzip aus der Westtürkei hierherkommen und im lokalen Krankenhaus aushelfen. Der Gegensatz ist schwer zu fassen. Einerseits diese bilderbuchhafte entrückte Bergwelt und andererseits das Drama der jüngsten Geschichte und Gegenwart. Jede Bergspitze, jeder Pass, jede Kurve, jede Talein- und Ausfahrt ist mit Militärstationen bestückt. Aus der Ferne sehen sie aus wie Burgen, mit ihren riesigen Mauern und Türmen, aus der Nähe jedoch zeigen sich hochmoderne Kasernen. Unabhängig jedoch von unseren Eindrücken wollen wir uns nicht im Geringsten anmaßen zu sagen oder zu diskutieren, was geschichtlich und politisch richtig oder falsch ist. Es bleibt nur der Wunsch, dass diese wunderschöne Region und seine Menschen ihren Frieden wiederfinden. Die Spannung ist noch immer spürbar, es gibt keine Möglichkeit in die Berge zu gelangen und so fahren wir nach einer Nacht in Semdinli, einem Abstecher zum Baglar Kalesi und einem Zwischenstopp in Yüksekova zurück Richtung Van-See.
Die Route die wir wählen ist die intensivste offroad-Strecke die Fred bisher gemeistert hat. Es geht hoch hinauf durch die Hakkari-Berge, dort wo keine Genehmigung vonnöten ist. Wir klettern bis auf 3200m Höhe, schaufeln Schneebretter mit der Schippe beiseite, queren Bäche und kleine Flüsse, nutzen Untersetzung und Sperren immer wieder und brauchen für die 100 Kilometer Bergland gute 6 Stunden. Wir sind auf weite Strecken die ersten, die diese Strecke nach diesem Winter queren und werden belohnt mit unvergesslichen Ausblicken und Einsamkeiten. Immer wieder sehen wir durch den Krieg verlassenen Dörfer, manche zaghaft wiederbesiedelt andere kaum noch zu erkennen. Der erste Militärposten kurz vor Van ist baff – aus dieser Richtung hat man Touristen definitiv nicht erwartet. Noch eine Nacht schlafen wir unterhalb der Burg von Cavustepe und treffen noch einmal für ein paar Stunden auf Ufuk und Yakut. Hier lernen wir auch, dass wir mittlerweile auf ziemlich vielen Nachrichtenkanälen in der Türkei zu sehen sind. Der Abschied von den beiden wird diesmal sicherlich für länger und Tosi ist sehr traurig, hat sie doch beide sehr ins Herz geschlossen. Wir merken, dass die immer wiederkehrenden Abschiede nicht leicht für sie sind und immer wieder sagt sie, wie sehr sie ihre Freunde und Großeltern vermisst.
Blick auf Semdinli Auch das leider überall – Müllberge in den Tälern Strecke durch das Hakkari-Gebirge Immer wieder – Reste alter Dörfer Friedhof im nirgendwo Herz im Schnee Immer wieder der prüfende Blick – geht es noch weiter? Fertig – Schneebrett abgeschaufelt. Nomaden Wiederbesiedelte alte Dörfer Beglückende Einsamkeit
Wir verabschieden uns auch vom Van-See, dessen Berge und Weiten uns für mehrere Wochen so in seinen Bann gezogen haben. Im Hintergrund rasseln die Reisepläne in den Foren der Globetrotter-community… Georgien macht auf, Iran wohl etwas später… Wir fahren also wieder nordwärts, queren riesige Lavafelder am aktivsten Vulkan der Türkei – dem Tendurek Dagi und machen ausführlichen Live-Geographieunterricht. Beim Versuch näher an die Schwefelquellen zu kommen, landen wir in einem der vielen Militärposten, kommen zwar nicht weiter weil Sperrgebiet, trinken aber dafür Tee und Essen Kuchen mit 7 Soldaten und ihrem Kommandanten. Nur eins der vielen Beispiele, wie zuvorkommend und aufrichtig das Militär und auch die Polizei gegenüber uns bisher ist. Dann endlich, hinter einer Kurve, ragt er auf – der Sehnsuchtsberg Ararat. Gigantisch und mit der Hutspitze in den Wolken, wie aus einer anderen Welt gefallen. Diesmal sehen wir ihn von Süden, vor 5 Jahren war es von Norden, aus Armenien. Georgien rückt immer näher. Dann geht es hinauf zum Ishak-Pasa Palast und haben Stellplatz auf dem berühmten Murat-Camping bezogen. Einst, vor Corona-Zeiten, gaben sich hier die Weltreisenden auf dem Weg zwischen Ost und West die Klinke in die Hand. Wir blicken aus dem einen Fenster auf den wunderschönen orientalischen Palast und aus dem anderen in die große Ebene von Dogubeyazit mit den sie flankierenden riesigen Vulkanen. Traumhaft! Und so erreichen wir einen weiteren Höhepunkt der Reise, weit vorausgeträumt, neben dem Nemrut Dagi, Van-See nun endlich den Ararat auf der Fernroute in das alte Persien.
Zum Ende ein paar Worte von Tiziano Terziani:
„Jeder Ort ist eine Fundgrube. Man muß sich nur treiben lassen. Sich Zeit nehmen, im Teehaus sitzend die Leute beobachten, sich in einen Winkel des Marktes stellen, zum Friseur gehen und dem Faden eines Knäuls folgen, der mit einem Wort, einer Begegnung anfangen kann, mit dem Freund eines Freundes von jemanden, den man so eben kennengelernt hat – und schon wird der fadeste, unscheinbarste Ort der zu einem Spiegel der Welt, zu einem Fenster, das sich auf das Leben öffnet, zur Bühne der Menschheit, vor der man endgültig verweilen möchte.
Diese Fundgrube befindet sich immer genau da , wo man gerade ist: Man muß nur graben!“
Kommentare (2)
Fantastyczny opis Waszej rodzinnej podróży! Czytałam z zapartym tchem. Życzę szerokiej drogi
Sehr schön!! Kaum zu glauben ihr seid so lange schon unterwegs. Ihr habt soviel erlebt. Bin voll neidisch (aber nicht auf das wäschewaschen!! Dein Stone henge Kommentar hat mich zum Lachen gebracht!! Ganz liebe Grüße an euch alle vor allem Tosi !!!